Leseprobe aus Kapitel 4: Konvergente Entwicklung – Konzentriere dich auf das Wesentliche

Personalabteilungen

Personalabteilungen sind in besonderer Weise einem Wandel unterworfen. Der Druck nahm in den letzten Jahren zu und manche Prozesse, wie die Gehaltsabrechnung, wurden outgesourct. Andere Tätigkeiten, wie die Erstellung von Zeugnissen, wurden automatisiert. Das hört sich nach Arbeitserleichterung an, aber in der Realität gingen diese Errungenschaften mit Stellenabbau einher. So ist es heute nicht ungewöhnlich, dass mittelständische Unternehmen mit vielleicht 170 Mitarbeitern und zehn Millionen Umsatz für die Personaladministration eine Halbtagskraft beschäftigen. Manchmal erledigt das Sekretariat der Geschäftsleitung diese Tätigkeit „mit“.

So weit, so gut. Bis eine Stelle ausgeschrieben werden soll. Da ist Holland in Not, denn das geschieht nur wenige Male pro Jahr. Also wird zu einer alten Vorlage gegriffen. Die Fachabteilung soll den Inhalt der Anzeige liefern. Dann wird noch entschieden, ob die Anzeige in den lokalen Medien gedruckt oder doch besser online bei Jobleads, Indeed, Monster, Stepstone oder Jobware geschaltet wird. So weit ist der Prozess noch zu bewältigen.

Bewerbungslawinen

Nun bricht aber eine Lawine über den armen Mittelständler herein. Auch wenn es Deutschland gutgeht wie nie und professionelles Personal immer knapper wird, wirkt eine Stellenanzeige noch immer wie ein Magnet. Wie im ersten Kapitel bereits erwähnt, hat die Personalberatung von Rundstedt festgestellt, dass auf eine Anzeige rund 300 Bewerbungen kommen, und Karriere-Coach Svenja Hofert gibt auf ihrem Karriereblog für verschiedene Positionen Bewerberzahlen zwischen 70 und 3000 an.

Die arme Halbtagskraft staunt da nicht schlecht, wenn sie in den Posteingang schaut. Der Mittelständler hat natürlich nicht in ein Bewerbungsportal investiert – zum Glück, meinen die Bewerber, denn diese senden ihre Bewerbung am liebsten per E-Mail an einen Arbeitgeber. Unnötig zu erwähnen, dass diese Vorgehensweise die Anzahl der Bewerbungen signifikant erhöht hat. Wo früher eine Bewerbung ausgedruckt, in eine Mappe einsortiert, in ein Kuvert gesteckt, mit einer Briefmarke versehen und zur Post getragen wurde, reicht jetzt ein Klick auf die „Senden“-Taste.

Nicht wenige Bewerber zielen dann auch auf alles, was sich bewegt. Mit Copyand-paste werden – wie mit der Schrotflinte – Bewerbungen an jeden Arbeitgeber versendet, der sich zu erkennen gibt. Eignung? „Wie bitte?“ Das kann doch nur schiefgehen! Da wundert es nicht, dass Arbeitgeber meinen, lediglich 10 Prozent der Bewerbungen seien verwertbar.

Bewältigung der Personalsuche

Unsere bedauernswerte Halbtagskraft fragt sich nun verzweifelt, wie sie ein Projekt mit – sagen wir freundlicherweise 250 Bewerbungen – angehen soll. Alle PDF-Dateien anklicken? Alles ausdrucken? Auch die 60 Seiten, angefangen mit dem Ausbildungszeugnis zum Bürokaufmann, des 57-jährigen Kandidaten? Soll sie eine Vorselektion treffen? Möchte die Fachabteilung alle 250 Bewerbungen sehen? Letztlich kann nur sie die Qualifikation adäquat beurteilen. Und dann spielen da noch die weichen Faktoren hinein. Kienbaum hat bei einer Befragung von 300 Personalverantwortlichen festgestellt, dass für acht von zehn Managern das Foto von großer Bedeutung ist und es in jedem zehnten Fall gar den Ausschlag geben kann. So muss die Entscheidung auf die Fachabteilung verlagert werden. Nur blöd, dass da keiner Zeit hat. Das Tagesgeschäft hat Priorität. Wenn keine Produkte ausgeliefert werden, macht alles andere auch keinen Sinn. Dazu hat auch noch der Chef Urlaub. Dumm gelaufen.

Bewerber haben gelernt, dass sie nach zwei Wochen mal anrufen sollten. So melden sich Müller und Meyer bei der Halbtagskraft – die alle Unterlagen in die Fachabteilung gegeben hat. Wenn sie die Gespräche durchstellen will, bekommt sie als Antwort, dass dafür keine Zeit sei. Dafür habe die Firma schließlich die Personaladministration.

Arbeitgeberbewertungsportale

Die Bewerber sind „not amused“ und greifen in Zeiten der Digitalisierung zu den Optionen, die ihnen geboten werden. Es ist gut, Dampf abzulassen bei Kununu oder Glassdoor. Hunderttausende Unternehmen werden hier bewertet – und viele Bewerber gewinnen hier einen ersten Eindruck vom potenziellen Arbeitgeber.

Konzerne können sich einen sogenannten „Candidate Experience Manager“ leisten, das sind Mitarbeiter, die sich um die „Bewerberreise“ kümmern. Sie wissen, wo im Konzern ein Bewerber landet, was mit der Bewerbung passiert, wie lange diese bei einzelnen Abteilungen verbleibt und wann der Kandidat eine Rückmeldung bekommt. Wenn Prozesse strukturiert werden, hat das eine positive Auswirkung auf das Employer Branding (Arbeitgebermarkenbildung). Das Unternehmen wird als zuverlässig wahrgenommen.

Diesen Luxus leisten sich möglicherweise die 15 000 Konzerne in Deutschland – nach Definition des Statistischen Bundesamtes: Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten. Für unseren Mittelständler ist es undenkbar, eine solche Funktion zu etablieren.

Der Vollständigkeit halber: Es gibt in Deutschland zwischen 3,5 und 4 Millionen Betriebe (in Zeiten guter Beschäftigung nimmt die Lust an selbstständiger Tätigkeit ab). Davon sind circa 1,5 Millionen Firmen Ein-Mann-Unternehmen. Das bedeutet, es gibt gut 2 Millionen Arbeitgeber, die Personal einstellen. Wenn wir nur mal die Organisationen zählen, die 10 bis 250 Mitarbeiter beschäftigen, dann sind wir immerhin bei 300 000 bis 350 000 Firmen.

@metropolitan.verlag

Auszug aus meinem neuen Buch „Bewerben 4.0“ das am 15. Januar veröffentlicht wird

Kapitelübersicht:

1 Bewerben 4.0: Verstehe die Welt

2 Positionierung auf dem Arbeitsmarkt: Folge deiner Leidenschaft

3 Resilienz: Sorge für dich selbst

4 Konvergente Entwicklung: Konzentriere dich auf das Wesentliche

5 Divergente Entwicklung: Mach dich sichtbar

6 Von Traditionalisten bis Generation Z: Nutze deine Chance

7 Neue Beschäftigungsverhältnisse: Gestalte dein Leben

8 Vertrauen: Baue ein Beziehungsnetzwerk auf

9 Das Jobinterview: Zeige deine Persönlichkeit

10 Rückkehr der Tugenden: Perfektioniere den Umgang mit Menschen