Bewerben 4.0 erscheint Januar 2018 – Hier der „Teaser“ aus Kapitel 2: „Positionierung auf dem Arbeitsmarkt: Folge deiner Leidenschaft“

Ich kenne Steffen seit über 25 Jahren. Nach dem Abitur fängt er seine berufliche Karriere bei einem führenden Hersteller von Kopiersystemen an. Er ist ungemein erfolgreich im Verkauf: President’s Club. Incentives. Bester Verkäufer des Jahres.

Er wechselt zu einem Distributor für Datentechnik. Der welterfahrene und charismatische Geschäftsführer wird zu seinem Mentor. Steffen erlebt glückliche Zeiten. Er erweitert seine Kompetenzen. Neben der operativen Verantwortung entwickelt er seine strategischen Fähigkeiten.

Er steigt ein bei einem führenden Anbieter von ERP-Systemen, erhält eine große Führungs- und Budgetverantwortung. Die Erfolgsgeschichte setzt sich fort. Als dieses Unternehmen Insolvenz anmeldet, gründet er mit drei Partnern seine eigene AG als Start-up in der New Economy. Schwerpunkte sind E-Commerce und die Entwicklung von Einkaufsplattformen. Aufgrund von Streitigkeiten unter den Gründern steigt er nach einiger Zeit aus und verliert einen erheblichen Teil seines Kapitals, das er bis zu diesem Zeitpunkt aufgebaut hat. So steht er als Vierzigjähriger mit 20 Jahren Berufserfahrung vor der Fragestellung, wie es weitergehen soll. Seine Kompetenzen hat er in der Informationstechnologie-Branche gesammelt. Die Konzernwelt übt eine Faszination auf ihn aus. Gleichzeitig hat er die Begrenzungen gesehen. Die Bewältigung von Umbrüchen hat ihm in den vergangenen 20 Jahren Spaß gemacht. Er fragt sich, ob er für eine Weiterführung dieses Lebensstils in den kommenden 20 Jahren genug Energie aufbringen kann.

Er entscheidet sich, einen Musikladen mit einem guten einstelligen Millionenumsatz zu übernehmen. Es ist zwar Neuland für ihn, aber ihn treibt die Begeisterung an. Seine Kernkompetenzen sieht er in der Strategieentwicklung und dem Gewinnen von Menschen. Später stellt sich heraus, dass die Gewinn-und-Verlust-Rechnung und die Bilanzen bei der Übernahme fehlerhaft waren. Steffen steigt mit nunmehr 50 Jahren mit einem blauen Auge aus.

Über eine Empfehlung wechselt er als Geschäftsführer eines Personalüberlassungsunternehmens in eine für ihn erneut unbekannte Branche. Auch hier kann er seine strategischen und vertrieblichen Kompetenzen einsetzen. Er macht Bekanntschaft mit mittelständischen Strukturen und lernt die Bedeutung der Beziehung zum Inhaber kennen.

Nach Auslaufen des Geschäftsführervertrags wird dieser nicht verlängert. Erneut stellte sich für Steffen die Frage, wie er sein Leben neu erfinden kann. Seine Kinder sind mittlerweile aus dem Haus. Seine Frau hat ein florierendes Geschäft mit Trampolinen aufgebaut. Die Sorge um den Lebensunterhalt steht somit nicht im Vordergrund. Steffen entscheidet sich, eine akademische Ausbildung nachzuholen. Er meldet sich für ein Coaching und ein Change-Management-Fernstudium an. Unverkennbar decken sich die Themen mit der eigenen Vita. In kurzer Zeit absolviert er seinen Master.

Glücklich mit dem Erfolg denkt er nun mit Ende 50 erneut über seine Lebensgestaltung nach. Er fühlt sich gesund, ist ehrenamtlich tätig und dabei von jungen Erwachsenen umgeben und er muss sich nicht primär um seinen Lebensunterhalt kümmern. Für ihn steht die Sinnfrage im Vordergrund. Es ist noch so viel Leben übrig am Ende der beruflichen Reise.

Er erinnert sich, wie er sich mit 20 Jahren diesen Zeitpunkt vorgestellt hatte. Damals war es nicht ungewöhnlich, dass Menschen mit Ende 50 ihre Finanzen geregelt hatten. Mit Fonds konnten sie vier bis acht Prozent Zinsen erzielen. Viele wechselten mit Ausstiegsprogrammen der Unternehmen und einer staatlichen Förderung in den Ruhestand. Die Silver Agers buchten Kreuzfahrten und übernahmen als Großeltern die Verantwortung für die Enkel. Steffen stellt fest, dass sein Leben nichts gemein hat mit der damaligen Vorstellung!

Abschied vom traditionellen Lebensmodell

Ohne viel darüber nachzudenken, ist Steffen in einer neuen Welt angekommen. Wir sollten uns diese genauer anschauen, denn in meinen Karriere-Coachings und Outplacement Beratungen treffe ich auf viele Klienten, die einfach nicht einordnen können, was sich geändert hat. Finanzspezialisten arbeiten 30 Jahre lang für einen Konzern. Dann werden die Stellen nach Polen ausgegliedert und sie stehen mit einer Abfindung vor der Frage, wie es weitergeht. Früher konnte man mit Mitte 50 in den Vorruhestand wechseln und bis dahin überbrücken. Diese Option ist nicht länger gegeben.

Der IT-Manager verlagert seine Abteilung nach Indien und muss sich dann ebenfalls die Frage nach der Zukunftsgestaltung stellen. Es kommt erschwerend hinzu, dass er vielleicht vor 20 Jahren das letzte Mal selbst programmiert hat. Während der Finanzspezialist und IT Manager 30 Jahre lang hingebungsvoll gearbeitet haben, hat sich die Welt um sie herum fundamental gewandelt. In ihrer gefühlten Lebensmitte werden sie aus der scheinbar behüteten Umgebung herausgerissen. Sie sehen sich einem beruflichen Umfeld gegenüber, das andere Kompetenzen fordert, in dem Jüngere Verantwortung für Tätigkeiten übernehmen, die sie nicht kennen. Sie wissen nicht einmal, was sich hinter vielen Berufsbezeichnungen verbirgt. Und anscheinend wird Berufs- und Lebenserfahrung nicht mehr honoriert. Was ist passiert?

@metropolitan.verlag

Nähere Informationen finden Sie hier