Der Wettbewerb um die Ressource Mensch

Am vergangenen Freitag war ich mit einer deutschen Führungskraft zusammen, die eine chinesische Frau geheiratet hat. Aufbauend auf einem Studium der Sinologie sprach er verhandlungssicher chinesisch. Auf Grund seiner vielen Aufenthalte in China und seinem tiefen Verständnis der Kultur tat er kund, dass die Ära in der China westliches Know-How anzapfen und nach China holen wollte, zu Ende geht.

Die Chinesen kommen nach Europa, Afrika und in die USA (Beispiel Lenovo, vorher PC-Sparte von IBM, nun Weltmarktführer), und etablieren hier ihre Geschäftstätigkeit, mit dem Ziel zu bleiben.

Im Rahmen eines Outplacements berate ich eine Person die im Werdegang einmal für die Firma Putzmeister, Hersteller von Zementpumpen gearbeitet hat. Dieses ur-deutsche mittelständische Unternehmen ist seit einigen Jahren in chinesischem Besitz. Wie der Presse zu entnehmen ist (und mir von meinem Klienten bestätigt wurde), machen die Chinesen einen guten Job – und haben vor, das Unternehmen zu behalten und in Deutschland zu bleiben.

Der Artikel in der WELT bescheinigt den Chinesen, verstanden zu haben, dass sie für die Expansion Führungskräfte benötigen. Diese finden Sie nicht (länger oder in gewünschter Qualität) im eigenen Land. Fazit der WELT: Es entbrannt ein globaler Wettbewerb um die Ressource Mensch!

Dieses schrieb George Friedman bereits in seinem Buch „Die nächsten 100 Jahre

>> Im Jahr 2009 ist es kaum vorstellbar, dass die führenden Industrienationen im Jahr 2030 um Einwanderer konkurrieren werden. Die Aufgabe der Einwanderungspolitik wird nicht mehr darin bestehen, den Zustrom zu drosseln, sondern darin Zuwanderer anzulocken. <<

Die WELT schreibt ebenfalls, dass es eine Aufgabe sein wird, dass die Anzahl der 300.000 Einwanderer nicht geringer werden und auf 50.000 fallen dürfe. Aus meiner persönlichen Sicht wird die „Einwanderungswelt“ hier noch mit Abstand zu rosig gemalt. Bis einschließlich 2011 war Deutschland ein Abwanderungsland. Netto haben jedes Jahr mehr Personen das Land verlassen als neu hineingefunden haben. Die Situation habe sich erst 2012 gewandelt, nicht unbedingt auf Grund geänderter Einwanderungsbedingungen (Green Card), sondern schlicht wegen der wirtschaftlichen Situation in Ländern wie Spanien und Portugal.

Es ist – aus meiner Sicht – äußerst fragwürdig ober die Netto-Einwanderung positiv bleibt, wenn sich die wirtschaftliche Lage in diesen Ländern normalisiert. Es ist eher davon auszugehen, dass die Spanier – nun mit häufig guter Qualifikation – wieder zurück in ihre Heimat ziehen werden. Polen ist heute das dritte Auswanderungsland (nach der Schweiz und den USA) und zeigt eben die umgekehrte Richtung wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Heimat (wieder) stimmen.

Der Bericht der WELT endet damit dass in Deutschland 4.0 viele Arbeitsplätze wegfallen werden. Diese These ist umstritten. Gerade die FAZ vom 21. Mai verweist auf die Studie „Arbeitslandschaft 2040“ der VBW (Vereinigung der bayrischen Wirtschaft) die zum Ergebnis kommt, dass sich bis 2020 eine Lücke von 1,8 Millionen Arbeitskräften auftun wird.

Und in der Tat haben wir in der Vergangenheit gesehen, dass FALK vielleicht keine Faltkarten mehr herstellt, dafür IT-ler Navigationsgeräte programmieren die designt und produziert werden müssen. KODAK und FUJI stellen keine Filme mehr her, dafür finden Mitarbeiter Arbeitsplätze in der digitalen Photographie. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen vom Java App-Programmierer über den Social Media Manager bis hin zum Chief Happiness Officer (CHO).

Mein Geschäftskontakt mit den chinesischen Wurzeln, Vater zweier Kinder, stellte fest: „Schön, dass unsere Kinder den Druck mit dem Finden eines Arbeitsplatzes nicht mehr erleben werden.“ Das möge nicht in jedem Fall zutreffen; für die Mehrzahl der Jugendlichen wird es relevant sein.

Was bereits heute für eine Reihe von Unternehmen, Branchen und Funktionen zutrifft, wird sich in absehbarer Zukunft noch deutlicher sichtbar werden: Arbeitnehmer finden einfacher einen Arbeitgeber als umgekehrt!

24.05.2015