WALHALLA-Verlag: Jeden Monat neu: Tipps und Tricks vom Bewerbungsexperten Vincent Zeylmans
Pepsi-Cola wollte es wissen. Und führte 1975 den „Schlückchentest“ durch. In Shopping-Malls wurden Tische aufgebaut. Probanden konnten Pepsi und Coca-Cola aus weißen Bechern trinken. Das Ergebnis? Pepsi schmeckte besser. Das meinten zumindest 60% der Befragten. Also müsste sich Pepsi auch besser verkaufen. Das war aber keineswegs der Fall. Irgendetwas stimmte nicht. Der Test wurde 2003 wiederholt. Das Resultat nach 28 Jahren? Identisch! Allerdings wurde der Test um eine Komponente erweitert. Nun sollten die Teilnehmer im Vorfeld wissen, was sie tranken. Die Reaktion diesmal? 75% der Passanten waren der Meinung, dass Coca-Cola aus dem gekennzeichneten Bechern besser schmecke. So erzählt es uns Martin Lindstrom in seinem Buch BUY-OLOGY.
Wer denkt, dass der Mensch ein rationales Wesen ist, liegt daneben. Unsere Emotionalität steuert Begehrlichkeiten und trickst uns aus. Wir begründen unsere Kaufentscheidung dann rationell. Längst ist das Design der wichtigste Anreiz beim Autokauf. Gleiche Technik in Skoda und Audi? Die vier Ringe erlauben einen Aufschlag im fünfstelligen Euro-Bereich. Die meisten mögen die Hamburger gegrillt. So wie sie Burger King herstellt. Dennoch macht McDonalds mit den gebratenen Burgern ein Vielfaches an Umsatz. Wir sind eben nicht so rationell wie wir meinen.
Im Bewerbungsverfahren wird das kompliziert. Gehen doch viele ins Rennen und – so der Anspruch – soll der „Beste“ den Job bekommen. Die Praxis sieht anders aus. Einmal ist die Qualifikation schwierig zu definieren. Denn Abschlusszeugnisse sind ein Aspekt. Später kommt der Werdegang hinzu. Aber bereits Daniel Golemann hat in seinen Büchern zum Thema Emotionale Intelligenz festgestellt, dass IQ für den Einstieg verantwortlich ist, EQ allerdings erforderlich für den Aufstieg. So zählen neben hard fact gerade die weichen Faktoren für den Erfolg. Alles nicht neu. Der Schlückchentest zeigt aber, wie sehr wir auch von der Wahrnehmung geprägt werden. Wer kann es jemandem verübeln, dass dieser Coca Cola aus dem gekennzeichneten Becher vorzieht? So spielen in der Bewerbungspraxis neben harten und weichen Aspekten auch irrationale Faktoren wie die Sympathie eine bedeutende Rolle.
Wann bilden wir uns eine Meinung über eine Person? Die Forschung sagt: in den ersten Sekunden! Beunruhigend, dass wir uns von diesem ersten Eindruck kaum abbringen lassen. Ein Experiment wies aus, dass 80% der Beobachter bei ihrem ersten Urteil bleiben. Warum? Hier spielt die selektive Wahrnehmung eine Rolle. Wir sehen, was wir sehen wollen. Und verstärken unser (Vor) Urteil.
Gerade in Bewerbungsverfahren ist diese Komponente nicht zu vernachlässigen. Ein Personaler befasst sich bei der Erstdurchsicht weniger als zwei Minuten mit einer Bewerbung. Da zählt nicht die lobende Bemerkung im dritten Zeugnis auf Seite 21. Vor allem der Fachbereichsleiter lässt sich mit dem Team häufig von der Optik und – bei einer Papierbewerbung – der Materialanmutung von Bewerbungsunterlagen beeinflussen. Der Mensch nimmt ganzheitlich wahr. Und es entzieht sich kaum jemand der professionellen Aufmachung von Unterlagen.
Dr. Jürgen Sauser schickte mir mal seine Unterlagen zur Überprüfung. Er war promovierter Mathematiker mit einem beeindruckenden Lebenslauf. 10 Jahre war er bei VW in der Schnittstelle zwischen IT und Produktion für die Prozessoptimierung verantwortlich. Dennoch erhielt er keine Einladungen zum Vorstellungsgespräch. Was lief schief? Das wurde deutlich nach Erhalt der Bewerbung. Verpackt war sie im billigsten braunen Kuvert. Mein Name war falsch geschrieben. Die Briefmarke schief darauf geklebt. Das Standard-Anschreiben mit Copy/Paste eingefügt. Und das Deckblatt von einem Original mit Papierbild kopiert. Der erste Eindruck entschied! Qualifikation, Leistungen und Ergebnisse hatten keine Chance. In den ersten Sekunden wurde er aussortiert. Nach Erledigung dieser einfachen Hausaufgaben erhielt er nach Aussendung von fünf Bewerbungen an Top-Headhunter vier Einladungen zum Vorstellungsgespräch.
Was gilt es zu beachten? Der erste Eindruck soll überzeugen! Längst bevor sich der Entscheidungsträger mit den Details befasst, soll ein gutes Gefühl entstanden sein. Ein professionelles Bild als Sympathieträger ist eine gute Investition. Die Karriere-Propheten wiederholen unermüdlich, dass ein Anschreiben auf eine Seite gepresst werden soll und ein Lebenslauf auf zwei. Das führt mitunter dazu, dass Bewerber mit den Unterlagen eine Lupe mit senden sollten, damit die Schriftgröße noch zu lesen ist. Andere verzichten dafür auf die Leerzeilen und muten dem Arbeitgeber einen Textblock zu, der förmlich erschlägt.
Ein SIEMENS-Manager, sieben Jahre für das Talent-Management verantwortlich, vertraute mir folgende Beobachtung an. Er stellte fest, dass Fachabteilungen Bewerber die eine Papierbewerbung eingereicht hatten, viermal häufiger einluden als das Pendant mit einer digitalen Bewerbung.
Papierbewerbungen, Qualitätsanmutung, gewinnende Bewerbungsbilder und eine gute Aufmachung der Unterlagen können nicht über eine mangelnde Qualifikation hinwegtäuschen. Wer aber seine Vorzüge nicht verkaufen kann, hat keine Chance. Die Verpackung soll überzeugen, wenn der Inhalt stimmt. Wer dagegen hadert, klagt über die Ungerechtigkeit der Welt. Das bringt allerdings im Job nicht weiter.
11.04.2015