Sind wir bald alle voll beschäftigt? Ein Plädoyer für den verdeckten Arbeitsmarkt!

WALHALLA Verlag: Jeden Monat neu: Tipps und Tricks vom Bewerbungsexperten Vincent Zeylmans

Sind wir bald alle voll beschäftigt? Ein Plädoyer für den verdeckten Arbeitsmarkt!

Warum der verdeckte Arbeitsmarkt oftmals die beste Chance für Arbeitssuchende ist.

Prof. Dr. Armin Trost, Dozent an der Business School der Hochschule Furtwangen hat es ausprobiert. Er schickte zwei Kandidaten ins Rennen. Christian Blank und Markus Unterberger. Beide Traum-Kandidaten eines jeden Personalchefs. Wirtschaftsdiplom (Note 1,3), MBA der University of Georgia (USA), internationale Praktikumserfahrung, Schwerpunkte in den Bereichen Finanzen und Personal. Das einzige Manko: Sie existieren nicht – nicht wirklich. Nur auf Papier. Sie haben sich auf 100 Stellen beworben. Und wurden… viermal zu einem Gespräch eingeladen! Beruhigend – für alle die sich über mangelndes Feedback gewundert haben. Beunruhigend was die „Systemfrage“ angeht.

Welches System? Nun, wer einen Job sucht, bewirbt sich auf Stellen. Die können sichtbar sein auf der Unternehmenswebsite, ausgeschrieben in Jobbörsen oder veröffentlicht in Print-Medien. Eine Stellenausschreibung wirkt noch immer wie ein Magnet. Sie zieht vielleicht 30 Bewerbungen an, 50 oder auch 100. Wenige Unternehmen sind in der Lage, diese „Lawine“ qualifiziert zu bearbeiten. Und realistisch finden Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur schwer zusammen. Das fängt bereits bei der Ausschreibung an. Ein Unternehmen wünscht sich einen Herrn um die 35 für das Labor. Nun, das darf der Arbeitgeber aber nicht sagen. Ein Eigentor für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aus 2006 (AGG). Somit bewerben sich alle Frauen umsonst, alle unter 30 sowie alle über 40. Der Wahnsinn geht noch weiter. Denn wer führt das Vorstellungsgespräch? Der Laborleiter. Der ist extrem qualifiziert. Auf seinem Fachgebiet! Einstellungsgespräche gehören aber nicht zu seiner Kernkompetenz.

Dieses ist Bewerbungsalltag pur in der Bundesrepublik. Es wundert nicht, dass Firmen diesen Weg verlassen. Die Agentur für Arbeit hat ermittelt, dass 65% aller Stellen gar nicht mehr ausgeschrieben werden. Unternehmen scheuen beides: den Aufwand und die Fehlentscheidung! Deshalb werden andere Wege gesucht. Der Lehrling wird übernommen. Der Berater abgeworben. Der Leiharbeiter wechselt in ein festes Angestelltenverhältnis. Der Interim-Manager darf bleiben. In der Belegschaft wird nachgefragt, ob jemand den passenden Kandidaten kennt. Ein Headhunter wird kontaktiert. Es wird geschaut, ob sich ein adäquater Bewerber initiativ gemeldet hat. Und der Kollege, der das Unternehmen verlassen hat, kann zurückkommen, nachdem er festgestellt hat, dass woanders auch nur mit Wasser gekocht wird.

Wie bewerbe ich mich also auf Stellen, die ich nicht sehen kann? Ich muss den Prozess umdrehen! Von der ausgeschriebenen Stelle kann ich nicht mehr ausgehen. Somit bin ich bei mir selbst. Das vereinfacht das Verfahren nicht – zumindest fängt es mit Denkarbeit an. Wie positioniere ich mich? Was weise ich vor? Was mache ich gern? In welchem Umfeld? Wie mache ich das plausibel? Das ist Anstrengung pur. Aber auch sehr authentisch. Als Ergebnis habe ich ein Suchprofil erarbeitet.

Nun gilt es, meine Unterlagen diesem Suchprofil anzupassen. Mein Anschreiben versprüht Leidenschaft für diese Tätigkeit. Mein Lebenslauf unterstreicht die Kompetenzen für dieses Aufgabengebiet. Mir ist bewusst, dass ich nicht mit einer wissenschaftlichen Arbeit den Spannungsbogen aufrechterhalte. Der Entscheidungsträger wird rational und emotional gesteuert. Da gilt es, neben ausgewiesener Qualifikation – am besten an Hand von Ergebnissen, Erfolgen und Leistungen – auch mit optisch sauber aufbereiteten Unterlagen zu überzeugen. Und mit einem hübschen Bild.

Damit habe ich aber noch keinen Job. Dort wo der Arbeitgeber sucht, will ich auffindbar sein. Betreibt er Active Sourcing bei XING? Dann habe ich dort ein qualifiziertes Profil! Sucht der Personalberater in der Lebenslaufdatenbank bei Monster und Stepstone? Dann habe ich dort aktuelle Unterlagen hinterlegt! Werden 15% – 20% aller Jobs über Initiativbewerbungen vergeben? Dann habe ich meine Lieblingsunternehmen angeschrieben. Adressen sammele ich über Wer liefert was, Deutschlands beste Arbeitgeber, Jobguide.de, die Unternehmensdatenbank oder in der Unibibliothek über die DVDs von Hoppenstedt/Bisnode. Dazu habe ich – bei entsprechender Qualifikation – Kontakt aufgenommen zu passenden Personalberatern und zur ZAV. Eine Stellensuchanzeige rundet die Bewerbungsstrategie noch ab.

Es ist nicht so, dass Arbeitgeber unrealistische Erwartungen hätten. Und mit Sicherheit sind nicht alle Jobs vergeben. Das Gegenteil trifft zu! Die Babyboomers gehen in Rente und „unten kommt nichts nach.“ Der demographische Wandel lässt grüßen – und dieser ist kein Mythos, sondern es handelt sich um „nackte Zahlen.“ Dazu sind mehr Arbeitnehmer in einem versicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis beschäftigt als je zuvor. Sind wir alle bald voll beschäftigt? Die Statistik lässt es vermuten. Aber das System der Reaktion auf ausgeschriebene Stellen kann nicht funktionieren. Deshalb dieses Plädoyer für den verdeckten Arbeitsmarkt. Wenn sich 95% aller Bewerber auf die 35% der sichtbaren Stellen fokussieren, sollten Sie zu den 5% der Kandidaten gehören die sich bedingungslos den restlichen 65% des verdeckten Arbeitsmarktes verschreiben. Das Ergebnis? Sie werden mit einer hohen Motivation, Einklang mit der Wunschposition und langfristig gute Arbeitsleistungen auf Grund der Passgenauigkeit zwischen Job und Ihrem Profil belohnt!

10.05.2015