Trauer als Imperativ der Veränderungsprozesse

Diese Woche war ich mit – nennen wir sie – Cynthia essen.

Wir waren bis 2001 Kollegen und seitdem treffen wir uns zweimal pro Jahr.

Wir hatten eine gemeinsame Bekannte, eine gute Freundin meiner Ex-Kollegin. Sie hatte einige Jahre Urlaub mit ihr verbracht und sie dann aus dem Auge verloren. Nun erhielt sie die Nachricht, dass sie verstorben war. Sie sagte zu mir:

„Weißt Du, Vincent, auch wenn wir uns längere Zeit nicht gesehen haben, wusste ich immer, dass sie da war. Wir haben zusammen viel erlebt, aber jetzt ist kein Kontakt mehr möglich. Die gemeinsamen Abenteuer sind nur noch in meiner Erinnerung vorhanden. Die Tatsache, dass ich nicht mehr mit ihr darüber reden kann, vermittelt ein Gefühl von Einsamkeit.“ Anschließend haben wir über Personen gesprochen, die im Alter genau dieses erlebten. Wenn es schwierig wird, über Erlebnisse zu reden, kann dieses zur Isolation führen.

Vergleichbares beobachte ich bei meinen Mandanten. Vor allem wenn der Abschied vom Arbeitgeber nicht freiwillig war. Bisher war es möglich mit den Kollegen über das Incentive zu sprechen. Die Kreuzfahrt in der Karibik oder die Ski-Jet Tour in Finnland. Meine Klienten erfuhren ihre Identität – auch – immer in den Rückmeldungen der Umgebung. Es gab Anerkennung für die Erfolge. Sie hatten den größten Kunden gewonnen. Sie haben den polnischen Markt aufgebaut. Sie hatten den finanziellen Turnaround geschafft und somit die Schließung der Niederlassung verhindert.

Nach einem unfreiwilligen Ausscheiden verloren diese Ereignisse an Bedeutung. Andere Kontakte waren kaum daran interessiert und viele sprachen davon, dass sie ein „Vakuum“ spürten. Vielfach strebten meine Klienten so schnell wie möglich die nächste Aktivität, den neuen Job an. In den meisten Fällen blieb Trauer auf der Strecke. Manche wurden dazu gezwungen. Warum? Sie waren nicht in der Lage, ein neues Angestelltenverhältnis anzugehen, ohne die vorherigen Erfahrungen zu verarbeiten. Wer 25 Jahre der „Champion“ war, hat Zeit gebraucht, die Verlusterfahrung zu verinnerlichen. Der Schmerz wollte integriert werden, bevor meine Mandanten überhaupt in der Lage waren, über diesen Zeitraum zu reden. Und… selbstverständlich haben sich potenzielle Arbeitgeber nach diesem Lebensabschnitt erkundigt. So war es manchmal besser, wenn sich Kandidaten zunächst mal in den Urlaub verabschiedet haben, um sich der Situation zu stellen. Im Idealfall konnten sie Personen, die an ihnen schuldig geworden sind, verzeihen. Manche schaffte es, durchaus aus eigenem gesundem Egoismus, der Situation Positives abzugewinnen und sie zu umarmen.

William Bridges spricht davon, dass jede Änderung (auch solche, die wir als „positiv“ bezeichnen), mit einem Verlust einhergeht. Wer heiratet muss sich anpassen und von den eigenen Vorstellungen verabschieden. Wer ein Kind bekommt, verliert die Freiheit und Flexibilität. Wer einen Job verlässt, sei es freiwillig und natürlich noch viel mehr in einer erzwungenen Situation verliert Beziehungen, Sicherheit und Anerkennung. Das gleiche Prinzip wird – übrigens – in die Verabschiedung in den Ruhestand sichtbar.

Wer innehält, auf sich hört, achtsam in Bezug auf die eigenen Emotionen lebt, ist gut beraten. Das ist keine Lektion für Esoteriker. Aus der Partnerschaft kennen wir schon, dass keiner sich – gesund – in eine nächste Beziehung stürzen kann, ohne dass die vorherige aufgearbeitet wurde. Dieses gilt ebenfalls für eine Arbeitsbeziehung. Trauer, Trennungsschmerz und Abschied nehmen sind Emotionen die Zeit und Raum benötigen. Wer ohne inneren Stich über das vorherige Arbeitsverhältnis sprechen und empfinden kann, ist reif für den nächsten Schritt. Andere sollten, soweit dieses möglich ist, nochmals eine Runde drehen. Dabei spielt neben dem Faktor Zeit, die Akzeptanz der Notwendigkeit, sich mit der Thematik zu befassen, Schmerz zuzulassen und nicht vor den emotionalen Realitäten zu flüchten, eine entscheidende Rolle.

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