Wir sind gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt. Der verlief anders als geplant. Während der Hinfahrt gab es ein physisches Problem. Der Abend der Anreise landete ich somit ins Krankenhaus. Ich erhielt eine ambulante Behandlung, war allerdings die Hälfte der Urlaubszeit mit den Konsequenzen beschäftigt.
Die Lieblingsthemen bei Netflix, Disney & Amazon sind „Gib niemals auf“ und „Glaube an Dich selbst, dann ist alles möglich“. Das sind gut Glaubenssätze, allerdings keine Zauberformeln, mit denen wir das Leben kontrollieren. Im Laufe der Zeit begegnen uns wohl allen Grenzen, Hindernisse und Widerstände die wir nicht als Superhelden wegbeamen können.
Ein Krankenhausaufenthalt ist an sich nichts Außergewöhnliches. Die Tatsache, dass der Körper allerdings eigene Wege geht, führt zunächst zu einer Verunsicherung. Was bedeutet es, wenn es nochmals passiert? Wie muss die Schau auf das Leben angepasst werden in Bezug auf die körperliche Fragilität?
Im Outplacement wurde ich mit vielen unschönen Geschichten konfrontiert. Die Tatsache, dass die Mandanten bei mir aufschlugen, zeugte zunächst von einer vermeintlichen Niederlage. Kündigungen wurden ausgesprochen. Aufhebungsvereinbarungen unterschrieben. Meine Klienten kannten diese Erlebnisse bis dahin nur aus dem Umfeld, aus der Presse. Nie hätten sie geglaubt, sie selbst zu erleben!
Nun, drei Wochen nach meinem Ereignis, bin ich noch immer dabei, das Erlebte zu integrieren. Der Krankenhausaufenthalt war – auch – ein Abschiedserlebnis. Eine Verabschiedung von der eigenen Sicherheit, der vermeintlichen Unverletzbarkeit, der Lebensplanung die auf offensichtlich wackeligen Annahmen beruhte.
Auch meine Klienten leisten Trauerarbeit. Eine Kündigung ist eine Verabschiedung. Bei manchen nach 20 oder 30 Jahren. Meine Kunden waren Experten in ihrem Bereich. Sie haben Netzwerke aufgebaut die sie als Selbstverständlichkeit angesehen haben. Mit Ende 40 oder Anfang 50 haben viele neu anfangen müssen. Neu in jeglicher Hinsicht: Produkte, Kunden, Systeme, Netzwerke, Kultur.
Die Hälfte meines Urlaubs verlief in einer ungeplanten – und, realistisch, auch ungewollten Weise. Ich hätte die Umstände nicht ändern können, weder durch Überzeugungen noch durch Einsatz, Durchhalten oder Glauben an mich selbst. Somit stellt sich die Frage nach meiner Reaktion. Augen zu und durch? Das ist eine Möglichkeit. Ausblenden, ignorieren und hoffen, dass etwas Ähnliches nicht nochmals passiert? Wut! Mich von Leben betrogen fühlen? Widerstand und Bitterkeit? Das ist auch eine Möglichkeit, mit Enttäuschungen umzugehen – allerdings wenig produktiv. Vielleicht dann doch die Annahme? Das Leben hält sicherlich eine Reihe von Herausforderungen für uns bereit. Warum tun wir uns schwer damit? Weil sie eine Diskrepanz zu unseren eigenen Vorstellungen darstellen!
Wenn meine Klienten wieder Fuß fassen, sagt die Mehrzahl, dass ihnen nichts Besseres hätte passieren können. Teils ist dieses auf eine Justierung des nächsten Lebensabschnitts bezogen. Viele definieren die Werte und Unternehmenskultur des Zielunternehmens nochmals neu. Nicht wenige verbessern sich auch monetär. Die Aussage bezieht sich aber meistens auf die Tatsache, dass sich meine Kunden selbst begegnet sind. In der Selbstreflexion sind Bastionen der Überzeugungen gefallen. Das war schmerzhaft. Auch war es heilsam. Und ent-täuschend! Vorher waren sie eine Täuschung unterlegen, die nun aufgedeckt wurde. Meine Kunden beschrieben sich als milder, verständnisvoller und weniger urteilend.
Auch ich erfahre, dass mein Urlaubserlebnis eine Einladung, eine Chance zu mehr Lebensrealität ist. Wir kontrollieren weniger als wir denken. Was ich verliere an äußerer Stärke gewinne ich vielleicht an innerer Kraft. Ich glaube nach wie vor an Planung, Zielsetzung und Umsetzung der Zwischenschritte damit Träume artikuliert und sichtbar werden. Auch glaube ich daran, dass wir Begrenzungen erleben. Wenn ich Abstand von meinen Lebenszielen nehmen kann auf Grund der Begegnung mit Lebensrealitäten werde ich vielleicht zu einem Menschen bei dem andere eine Lebensattraktivität wahrnehmen.