Wie die Medien unsere Wahrnehmung der Arbeitsmarktsituation prägen

Letztes Jahr wurde das Buch „Factfulness“ von Hans Rosling, Mediziner, veröffentlicht – und hat Irritationen ausgelöst. Wissenschaftlich hat er nachgewiesen, dass es der Welt wesentlich besser geht, als wir glauben. Er zeigt dieses auf an Kriterien wie Bevölkerungsexplosion, Lebenserwartung oder Armutsbekämpfung.

Offensichtlich sind nur wenige unter uns Experten für den Klimawandel, Kriminalitätsbekämpfung oder Umweltverschmutzung. Unsere Meinung zu diesen Themen stammt überwiegend aus den Berichten die wir darüber lesen.

Auch wenn uns bekannt ist, dass keine Berichterstattung objektiv ist, sind wir kaum in der Lage, uns der Wirkung der Inhalte zu entziehen. Damit will ich keineswegs sagen, dass es sich bei den täglichen Nachrichten um das vielverwendete Wort „Fake-News“ handeln würde.

Allein schon die Tatsache über was berichtet wird – und welche Themen weniger Aufmerksamkeit erlangen, beeinflusst unsere Wahrnehmung von Sachverhalten. Hier beißt sich die Katze im Schwanz. Denn unser Kaufverhalten zeigt, dass wir empfänglicher sind für das Erschütternde, Aufreißende und Beunruhigende.

Reader’s Digest „Das Beste“ ist vielleicht das auflagenstärkste Magazin, welches sich schwerpunktmäßig auf das Positive fokussiert. Dafür hat der Verlag in den Jahren 2009 und 2013 Insolvenz angemeldet. Als Reaktion darauf verbreiten die Ländergesellschaften nun mehr eigene Inhalte. Die Bild-Zeitung geht täglich mit 2,5-facher Auflage heran, im Vergleich zu dieser freundlichen Zeitschrift, die monatlich erscheint und eher in den Friseursalons dieser Welt vermutet wird.

In seinem Buch „How to win customers and keep them for life” schreibt Michael LeBoeuf, dass wir das Positive acht Personen weitererzählen, das Negative 20 Menschen. Das Schwierige bleibt offensichtlich besser haften als das Einfache.

So ist es nicht erstaunlich dass wir in Bezug auf den Arbeitsmarkt der Meinung sind, dass uns schwere Zeiten bevorstehen. Wir lesen von Conti, Thyssen Krupp und der Deutschen Bank. Viele meinen, dass es somit um den Arbeitsmarkt schlecht gestellt ist.

Die heutige FAZ (23. Oktober 2019) stellt ganzseitig auf Seite 22 klar: „Trotz aller Meldungen über Werksschließungen und Entlassungen – noch werden mehr neue Stellen geschaffen als alte gestrichen“. Warum ist unsere Wahrnehmung eine andere? Nun, sehr einfach, da nicht darüber berichtet wird, dass die Deutsche Bahn 22.000 Stellen neu geschaffen hat, die Lufthansa 5.500, die Deutsche Post 5.000 und Würth 3.000.

Daher ruft es auch ein Befremden hervor, dass Arbeitgeber das mit Abstand größte Problem darin sehen, geeignetes Personal zu finden. Selbstverständlich verdunkeln Brexit, Handelskrieg und eine Umstellung der Automobilität den Wirtschaftshimmel. Dennoch ist die Wirkung davon zwar in einzelnen Branchen bemerkbar, aber „unter dem Strich“ (noch) nicht auf dem Arbeitsmarkt angekommen.

Die Herausforderung der Fachkräftemangel wird für Unternehmen nicht kleiner, sondern eher größer. Denn völlig unabhängig von jeglicher konjunktureller Entwicklung trocknet der Topf der verfügbaren Arbeitskräfte aus. Die Abgänge – die geburtsstarken Jahrgänge die in den Ruhestand gehen – sind einfach größer als die Neu-Zugänge, demographisch bedingt.

Die Tatsache, dass unser Wirtschaftswachstum möglicherweise geringer ausfällt als dieses die vergangenen Jahre der Fall war, mag volkswirtschaftliche Konsequenzen haben. Die Steuereinnahmen sprudeln vielleicht weniger erquicklich. Fragen nach der schwarzen Null, bzw. einer Neu-Verschuldung werden lauter. Aus der Arbeitsmarktperspektive sollten wir die Kirche aber im Dorf lassen.