Zalando: Kostprobe Digitalisierung – Stellenab- und Aufbau gleichzeitig

Die Debatte wird seit den 60-er Jahren des vergangenen Jahrtausends geführt. Gefährdet die Digitalisierung die Zukunft der Arbeit? Oder schafft der Fortschritt neue Arbeitsplätze? Bisher waren die Ängste groß – und unbegründet. Zumindest aus globaler Sicht.

Einzelschicksäle

Natürlich steht hinter jedem Arbeitsplatzverlust ein Schicksal. Wer Druckformenhersteller gelernt hat, in der analogen Fotografie groß geworden ist oder sich auf die Verarbeitung von edlem Briefpapier spezialisiert hat, sieht sich mit Herausforderungen konfrontiert. Das ist nicht zu leugnen. Gleichwohl wäre es wenig hilfreich, wenn wir uns wünschen, dass sich nichts ändert.

Innovation

Bisher hat die Innovation – aus allgemeiner Sicht – Fortschritte gebracht. Wir sind aber eher auf den Pessimismus fokussiert. Gerade wird aber das Positive wiederentdeckt. Der Schwede Ola Rosling hat in seinem neuen Buch nachgewiesen, dass wir der Meinung unterliegen dass alles immer schlechter wird – was wissenschaftlich nicht der Fall ist.

Auch die FAS widmete seiner letzten Ausgabe diesem Thema, indem 32 Indikatoren aufgezeigt wurden, die sich alle positiv entwickeln. Darunter die Kindersterblichkeit, Kriegstote, Zwangsarbeit, Feinstaub, Frauenwahlrecht, Hunger und vieles mehr. Überschrift: Die Welt wird immer besser!

Ist diesmal alles anders?

Dennoch stellt sich die Frage, ob diesmal alles anders ist. Wer das ohne weiteres von der Hand weist, wird nicht als seriös wahrgenommen – wahrscheinlich berechtigt. Gleichwohl hat der Mensch in jeder Situation lediglich die Vergangenheit als Fixpunkt, alles andere ist – letztlich – Spekulation. The Club of Rome verkündete in 1973 dass 1990 alle Wälder gestorben wären und der Welt das Öl ausgeht. Die Öl-Krise, verbunden mit einem Autolosen Sonntag schien dieses zu bestätigen. Vom Bericht wurden 30 Millionen Exemplare verkauft.

Heute sind die USA der größte Öl-Lieferant. Der Wald ist gesund. Es gehört aber nicht zur größten Stärke unserer Wirtschaft oder auch der Politik, zurückzuschauen, vergangene Aussagen auszuwerten und daraus Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen.

Zalando

Mit sehr großer Aufmachung wird berichtet, dass „bis zu 250 Beschäftigte im Marketing ihren Job verlieren“. In unserem Hirn werden nun zwei Zellen vernetzt: Das Wort „Digitalisierung“ wird an „Arbeitsplatzverlust“ gekoppelt. Wer etwas weiter liest, findet dass Zalando personell wachsen wird. Warum? Weil 2.000 neue Stellen geschaffen werden – größtenteils im Daten- und Softwarebereich mit Schwerpunkt in Berlin. Es ist wirklich frappant, dass keine Zeitung oder kein Online-Nachrichtenportal diesen Bericht mit „Zalando schafft 2.000 neue Stellen“ überschrieben hat.

Die Zukunft der Arbeit

Besser als wir es bei Zalando sehen, kann es wahrscheinlich nicht beschrieben werden. Die Realität ist der beste Autor. Global wird sich die Gesellschaft weiter entwickeln. Und zwar exponentiell. Die durchschnittliche Halbwertzeit der des Wissens liegt bei 4,5 Jahren. Im IT-Bereich bei 1,5 Jahren. Im Gesundheitswesen bei sechs Monaten. Seit 1960 haben wir 10 Lebensjahre dazu gewonnen. Wissenschaftler sagen für 2050 in Deutschland das Durchschnittsalter von 100 Jahren voraus. Das ist kein Kaffeesatz – sondern ein Fortschreiben der derzeit verfügbaren Informationen.

Sind wir in der Lage, mit den Veränderungen Schritt zu halten?

Das Problem ist weniger dass uns die Arbeit ausgeht. Im Gegenteil: Viele Unternehmen sind angesichts der Automatisierung dankbar – da sie keine Arbeitskräfte mehr finden. Täglich gehen zwei Babyboomer in Rente und kommt ein Vertreter der Generation Y oder Z nach. Bis 2025 werden in dieser Weise knapp sechs Millionen Erwerbstätige dem Markt entzogen.

Die Frage lautet, ob wir uns von alten Paradigmen verabschieden können. Berufserfahrung bedeutete Kompetenz. Heute müssen wir uns vielleicht zwei oder dreimal neu erfinden. Ich kenne Personen die davon begeistert sind. Sie leben länger, arbeiten länger und können mehrere Karrieren verfolgen im Gegensatz zu ihren Eltern.

Ich kenne auch die, welche mit ihrem Schicksal hadern, weil sich die Spielregeln während des Spiels geändert haben. Sie leben in Schuldzuweisungen und Selbstmitleid da sich ihnen die Privilegien die sie aus der elterlichen Generation kannten entziehen.

Es findet letztlich ein Kampf um unsere Einstellung statt, unsere Entscheidung, den Mut, loszulassen und Neues zuerst zu akzeptieren und dann zu wagen.