Erneutes Plädoyer für den verdecken Arbeitsmarkt

„Auf eine ausgeschriebene Stelle im Konzern kommen ca. 250 Bewerbungen. Vier bis sechs Personen werden eingeladen. Eine bekommt den Job. Trivago erhält rund 800 Bewerbungen auf eine Anzeige. Insgesamt bekommt dieses Unternehmen 40.000 Bewerbungen pro Monat“.

So war es auf Seite 11 der Folie der renommierten Business School vermerkt an der ich MBA und Executive MBA Studenten coache. Die Powerpoint Seite war mit der Aussage „Some Job Search Statistics“ überschrieben.

Kleine gedankliche Reise

Wenn 250 Bewerbungen digital vorliegen, stellt sich die Frage nach der Bewertung. Werden sie alle ausgedruckt? Sicherlich keine 40.000 bei Trivago. Es muss eine digitale Unterstützung nach gewissen Key-Words geben.

Von mittelständischen Unternehmen (immerhin 99,7 Prozent aller deutschen Arbeitgeber) weiß ich, dass die Flut an Bewerbungen manchmal nicht bewältigt werden kann. Es werden die ersten Bewerbungen angeschaut, einige Personen eingeladen in der Hoffnung, dass der „richtige“ Kandidat dabei ist.

Was keiner wissen will…

Möglicherweise bekommt auch keiner den Job. Es hat sich vielleicht ein interner Kandidat gemeldet. Der Bewerbungsprozess soll aber nichtdiskriminierend durchgeführt und entsprechend dokumentiert werden.

Apropos, Diskriminierung: Auch wenn die Stelle „neutral“ ausgeschrieben ist, sind intern wahrscheinlich längst Selektionskriterien festgelegt. Alter, Branche-Erfahrung, Geschlecht…

Qualifikation ist nicht messbar

Auch wenn sich dieses ganz ketzerisch anhört: Der Bewerbungsprozess bleibt ein „Black-Box-Verfahren“. Denn wer wird gesucht? Was zählt?

  • Budget-Verantwortung?
  • Führungsspanne?
  • Ausbildung?
  • Werdegang?
  • Gehalt?
  • Persönlichkeit?

Es heißt übereinstimmend: Ein Kandidat wird zu 50 Prozent auf Grund der fachlichen Kompetenz ausgewählt. Die andere Hälfte macht die Persönlichkeit aus. Aber wie sollen beide Aspekte gemessen werden?

Ist dann doch die Sympathie ausschlaggebend? Von wem? Wer entscheidet? Die Personalabteilung? Der fachlich Vorgesetzte? Oder redet der „Chef“ – der den Kandidaten ebenfalls sehen möchte – auch noch ein Wort mit?

Wer sich auf die Reise macht, einen Job über die Reaktion auf eine Anzeige zu erhalten, muss sich auf einen längeren Prozess gefasst machen. Der Bewerber benötigt ein dickes Fell, denn zwangsläufige Absagen verunsichern selbst das stärkste Selbstbewusstsein.

Die Alternativen

Nicht jede Firma schreibt die Stellen aus. Der Aufwand ist hoch. Das Personaleinstellungsverfahren ist komplex – vor allem für den Mittelstand. Dazu ist das Risiko hoch, da der Bewerber in der heutigen Zeit häufig besser geschult ist als die Führungskraft, die vielleicht zweimal pro Jahr einen neuen Mitarbeiter einstellt.

So gehen Unternehmen andere Wege:

  • Sie suchen bei XING
  • Sie reagieren auf Initiativbewerbungen
  • Sie beauftragen ein Zeitarbeitsunternehmen und übernehmen den Kandidaten, wenn sie zufrieden sind
  • Sie arbeiten mit Headhunter zusammen
  • Sie suchen bei LinkedIn
  • Sie recherchieren in Lebenslaufdatenbanken
  • Sie aktivieren ihr Netzwerk

Bewerber können jeden Schritt spiegelbildlich nachvollziehen. Sie legen ein Profil an bei XING (mit den richtigen Key-Words). Sie senden Initiativbewerbungen (an Unternehmen und passende Headhunter). Sie hinterlegen ihren Lebenslauf bei Datenbanken. Sie aktivieren ihr Netzwerk.

Ist diese Vorgehensweise erfolgreicher?

Je nachdem, welche Kriterien angelegt werden. Bewerber kommen nicht zwingend schneller zum Ziel. Auch muss die Transformation der Anzahl Kontakte die in Einladungen zum Interviews resultieren, nicht höher sein.

Der wesentliche Vorteil besteht darin, dass der Kandidat von sich selbst ausgeht. Er oder sie bewirbt sich mit einem Profil in dem die größte Motivation, die herausragenden Stärken, die berufliche Zielsetzung artikuliert wird. Diese Authentizität verleiht eine Überzeugungskraft die bei einer Reaktion auf ausgeschriebene Stellen häufig nicht vorhanden ist.

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