Sei es im Anschreiben, auf dem Deckblatt, als Profil im Lebenslauf, auf der Projektübersicht oder im Kompetenzprofil: Das Wort „Erfahrung“ steht hoch im Kurs!
Das gilt nicht nur für Bewerbungen auf Sachbearbeiter-Positionen. Im Gegenteil: Je anspruchsvoller der Werdegang, umso häufiger wird dieses Wort verwendet, als würde es die Bedeutung der vergangenen beruflichen Stationen nochmals verstärken.
Der Change-Manager hat „Erfahrung“ in der Reorganisation gesammelt. Die Führungskraft ist eine „erfahrene Führungspersönlichkeit“. Als Vorstandsmitglied rühmt sich der Verantwortliche für Finanzen als „erfahrener CEO“.
Es ist unmöglich, keine Erfahrungen zu sammeln
Wenn ich diese Formulierungen in Bewerbungsunterlagen sehe, weise ich darauf hin, dass es unmöglich ist, keine Erfahrung zu sammeln. Die Sonne geht auf – und wieder unter und an diesem Tag hat sich unser Erfahrungshorizont erweitert. Vielleicht haben wir versagt, Fehlentscheidungen getroffen oder unserem Arbeitgeber unbewusst einen großen Schaden hinzugefügt. Unser Erfahrungsschatz erweitert sich jeden Tag!
Sowie Paul Watzlawick meinte, dass wir nicht nicht-kommunizieren können, ist es ebenfalls unmöglich, nichts zu erfahren. Im Klartext: Erfahrung ist kein Qualifikationsmerkmal – und hat somit in Bewerbungsunterlagen nichts zu suchen.
Welche Alternativen gibt es?
Daher macht es Sinn, dieses Wort konsequent von anderen Begriffen zu ersetzen, die eine starke Wirkung erzeugen. Wir verfügen über Knowhow. Wir haben eine Expertise aufgebaut. Wir haben uns Fähigkeiten angeeignet. Oder wir weisen Kompetenzen in diesem Bereich vor.
Ich bemerke häufig ein Fremdeln mit klaren Aussagen. Offensichtlich fällt es uns leichter, uns hinter Nicht-Worte wie „Erfahrung“ zu verstecken. Darauf angesprochen, könnten wir jede Frage bejahen – und das ist genau das Problem!
Im Wort „Bewerben“ ist das Verb „Werben“ enthalten. Ob wir dieses mögen oder nicht: Der künftige Arbeitgeber wird uns ein Gehalt zahlen, da wir über Kenntnisse und eine Persönlichkeit verfügen, die seine Probleme lösen. Wenn wir diese Eigenschaften nicht in den Vordergrund stellen, tun es andere in Bezug auf ihre Person.
Bewerben fängt mit der Selbstreflektion an
Somit gehört die Selbst-Erkenntnis zum Bewerbungsverfahren. Was können wir gut? Was machen wir gern? Was macht uns besonders? Welche individuellen Leistungen haben wir erbracht? Welche Ergebnisse erzielt? Welche Resultate weisen wir vor? Welche Erfolge haben wir erarbeitet?
Wenn wir darüber nachdenken, schöpfen wir aus einem reichen Schatz an spannenden Geschichten, die artikuliert werden können und sehr gern in Interviews gehört werden. Auf einen inflationären Begriff wie „Erfahrung“ brauchen wir dann nicht mehr zurückgreifen.
Dieses Thema wird im Buch „50+, erfahren, sucht“ vertieft.

