- Arbeitgeber
Fangen wir mit den Arbeitgebern an. Die letzte Zeit klagen meine Klienten nochmals verstärkt über die gefühlte Unverschämtheit der Unternehmen. Sie schreiben Stellen aus, aber reagieren keineswegs auf Bewerbungen. Eingangsbestätigung: Fehlanzeige. Rückmeldung überhaupt: nicht in Sicht!
Wenn ich mit Arbeitgebern spreche, höre ich die Kehrseite der Medaille. Früher haben sich die Bewerber um eine ordentliche Bewerbung bemüht. Heute sind 10 Prozent der Bewerbungen verwertbar. So ist der Ausschuss bei z.B. – und diese Zahl ist nicht aus der Luft gegriffen – 400 Bewerbungen, hoch! Viele Bewerber „schießen mit Copy/Paste auf alles was sich bewegt“ und gehen keineswegs mehr auf die in der Stellenanzeige beschriebenen Anforderungen ein.
Auch wenn dieses keine Legitimation ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich Firmen einfach die ersten 25 Bewerbungen anschauen und drei bis fünf passende Kandidaten einladen. Wenn diese Strategie zum Erfolg führt, erhalten alle andere eine Absage.
- Personalberater
Die Zeit, in der Personalberater ehrenhaft über alles erhaben waren, ist vorbei. Gerade vor Corona war es extrem schwer, qualifiziertes Personal zu finden. Die Executive Search Consultants überzeugten Auftraggeber davon, dass die Zeiten in denen drei bis fünf Kandidaten präsentiert wurden, vorüber waren.
Soweit nachvollziehbar. Es wurde lästig, als Headhunter einen Kandidaten „bearbeitet“ haben, doch bei einem Mandanten anzufangen. Vielfach wurde Druck ausgeübt. Unterlagen sollten sofort fertiggestellt werden. Schlimmer noch: Es wurde das Blau vom Himmel versprochen. Nicht wenige Personen die ich begleitet habe, fanden eine signifikant andere Situation vor, als vom Personalvermittler und Arbeitgeber skizziert.
Die Hoffnung: Wenn der Kandidat erst mal bei uns angefangen hat, wird dieser uns so schnell nicht wieder verlassen. Wer möchte schon seinen Lebenslauf um eine unschöne Station erweitern?
- Bewerber
Bewerber haben sich über Jahre als schwächstes Glied in dieser Kette empfunden. Die letzten Jahre aber verließen sie immer mehr die Rolle als „Bittsteller“. Viele sahen sich – berechtigt – auf Augenhöhe mit dem potenziellen Arbeitgeber.
Nun schießen aber auch die potenziellen Mitarbeiter über das Ziel hinaus. Die Realität gebietet: Manch einer hat die vorher beschriebenen negativen Erfahrungen mit Headhunter und Unternehmen gesammelt. Wer unterschreibt, hat meistens noch andere Eisen im Feuer.
Vor 10 Jahren hätte der Bewerber die laufenden Bewerbungen zurückgezogen. Vor fünf Jahren waren viele zumindest noch offen dafür, „was noch kommen würde“. Mittlerweile ist es bei vielen zu einer Gewohnheit geworden, nochmals abzuwarten, ob ein besseres Angebot daherkommt.
Wenn ja, scheint man beim neuen Arbeitgeber einfach nicht auf. Ghosting!! Dafür wurde ein eigenes Wort kreiert. Dieses zeigt, dass es sich nicht um Ausnahmen handelt. Der Arbeitgeber ist quasi machtlos. Manch Bewerber ruft an und sagt, dass er/sie sowieso am ersten Tag wieder kündigen wird – und fragt, ob man sich das Ritual dann nicht besser gesichtswahrend sparen kann.
Fazit
Es ist eine Spirale mit Eskalationsstufen erkennbar. In Einzelfällen kann es helfen, sich in die Situation des Geschäftspartners zu versetzen. In diesen Zeiten kann es sinnvoll sein, mal auf Arbeitgeberbewertungsportalen wie Kununu oder Glassdoor zu schauen. Es wäre deeskalierend, wenn Bewerber, zumindest bei Arbeitgebern die sich um einen fairen Umgang mit ihrem Personal bemühen, ihren Job antreten würden. Als „Goldene Regel“ gilt noch immer „andere zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte“. Wenn wir uns aufregen über eine Welt in der vieles aus dem Ruder läuft, können wir ein Steinchen zu einer positiven Veränderung beitragen. Dieser Appell gilt übrigens – selbstverständlich – ebenfalls für Personalberater und Unternehmer gleichermaßen!
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