Ist es immer besser, sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis zu bewerben?

Na klar! Das erhöht die Attraktivität. Auch kommt nicht der Gedanke hoch, dass wir Bittsteller oder gar Versager sind. Da kann vielleicht was dran sein – aus Arbeitgebersicht.

Wechseln wir nun die Perspektive. Der Mitarbeiter der sich in einem bestehenden Arbeitsverhältnis befindet, benötigt sämtliche Energie für eine gute Arbeitsleistung. „Nebenbei“ sollen nun Bewerbungen geschrieben werden. Abends ist keine Energie vorhanden. So bleibt das Wochenende – eigentlich Erholungszeit.

Die Effektivität ist kaum gegeben, wenn es nach fünf oder sechs Tagen am Samstag oder Sonntag „Bewerbungszeit“ heißt. Sich da wieder hineinzufinden ist mühsam. Jede Bewerbung benötigt minimal drei Stunden. So kommen im Monat vielleicht vier Bewerbungen zusammen.

Wenn ein Durschnitt von 10 Bewerbungen für ein Interview angesetzt werden, ist die Auslese mager. Alle Quartale gibt es dann mal ein Vorstellungsgespräch. Es benötigt ca. vier Gespräche für ein Vertragsangebot. Das bedeutet, dass alle Jahre ein Vertrag vorliegt. Gar nicht so schlecht? Ja, wenn alles passt. Wenn die Vertragskonditionen aber nicht ideal sind, Zweifel bei der vorgesetzten Stelle aufkommen oder sich die Kultur anders darstellt als vorgestellt, ist die Strecke von erneut 12 Monaten zum nächsten Angebot lang.

Darüber hinaus haben nun Jihae Shin und Katherine Milman festgestelt, dass wer einen Plan B hat, weniger effektiv ist bei der Durchführung von Plan A. Intuitiv haben wir dieses vermutet – nun liegt der Beweis vor. Die Wirtschaftwoche schreibt in der ersten August-Ausgabe:

„Das Leben ist voll Unsicherheiten, privat wie beruflich. Mit Unsicherheit lebt allerdings niemand gerne. Deshalb schmieden viele Menschen einen Plan  – nur für den Fall, dass Plan A scheitert. Es ist nie verkehrt, schon vor der Fahrt eine alternative Route herauszufinden. Doch was theoretisch plausibel klingt, ist praktisch oft der Beginn allen Übels. Denn tatsächlich senkt alleine die Existenz eines Plans B die Chance, dass Plan A funktioniert. „

Das behaupten zumindest die erwähnten US-Psychologinnen. In einer Feldstudie kamen sie zum Ergebnis: Wer einen Plan B hat, verfolgt Plan A weit weniger ernsthaft.

Hier zeigt sich eine zusätzliche Herausforderung für Bewerber die sich aus einem bestehenden Angestelltenverhältnis heraus neu orientieren. Es fällt schwer, sich ganz auf die Bewerbungspraxis zu fokussieren und gleichzeitig einen guten Job zu machen.

Hat es somit doch Vorteile, wenn man sich voll auf die weitere Karriere konzentrieren kann? Wer, in der Tat, in einem Monat vielleicht 50 bis 100 Kontakte auf den Weg bringt, kann davon ausgehen, dass hier eine rege Resonanz entsteht. Dafür den Urlaub opfern? Das bleibt eine persönliche Entscheidung! Wer allerdings eine Kündigung erhält, soll eine Freistellung in vielen Fällen höher bewerten als einen monetären Ausgleich. Diese Person kann sich noch aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis bewerben.

Der Wert dieser Tatsache soll allerdings relativiert werden. Es ist bekannt, dass ganze Geschäftseinheiten aufgelöst oder umgezogen werden. Wer sich zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort befindet, ist betroffen. Das wissen auch potenzielle Arbeitgeber – und somit ist viel Verständnis vorhanden.

Die Damen Shin und Milkman raten dazu, dass eine Führungskraft die einen Plan B verfolgt, die Ausarbeitung am besten in anderen Händen legt als bei dem Verantwortlichen für Plan A. Dieser Luxus steht einem Bewerber leider nicht zur Verfügung…