Leseprobe aus Kapitel 9: DAS JOBINTERVIEW – ZEIGE DEINE PERSÖNLICHKEIT

Gerade das klassische Vorstellungsgespräch ist seit etwa fünf Jahren massiver Kritik ausgesetzt. „Alles ändert sich“, heißt es, „nur das Interview bleibt gleich.“ Wenn wir einen Perspektivenwechsel auf die andere Seite des Schreibtisches vornehmen, wird die Unzufriedenheit mit der klassischen Vorgehensweise verständlich.

Natürlich empfindet der Personalleiter, aber vor allem der Fachbereichsleiter einen wesentlich höheren Druck in den Bewerbungsverfahren. Das fängt damit an, dass in vielen Bereichen ein „War for Talents“ tobt. Dieser war bereits vor zehn Jahren bei den Top-Unternehmensberatungen und den Wirtschaftskanzleien erkennbar. Im Laufe der Zeit ist er in einer Vielzahl von Berufszweigen ausgebrochen. Und ich rede nicht nur von den viel (manchmal auch falsch) zitierten IT-Fachspezialisten und Ingenieuren.

Die Personalwissenschaftlerin Prof. Dr. Jutta Rump berichtet in einem Interview im FOCUS-BUSINESS 02/2017 von einem Vorstellungsgespräch: „Ich hatte vor zwei Jahren einen jungen Mann, der sich für einen Job als studentische Hilfskraft bewarb. Am Ende des Bewerbungsgesprächs zog er eine Checkliste mit 20 Fragen hervor. Er fragte mich nach meinem Führungsstil und wie sich dieser auf die Teamleistung auswirkte … Ich war ziemlich sprachlos. Am Schluss beschied er mir, dass ich in die engere Auswahl käme …“ Willkommen in der neuen Welt! Zunächst müssen wir also die veränderten Rahmenbedingungen und die damit einhergehende Unsicherheit auf Unternehmensseite verstehen, bevor wir entsprechend auf das Vorstellungsgespräch eingehen können.

Die Kosten einer Fehlentscheidung

Ohnehin ist die Einstellung von Personal ein Spießrutenlauf. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass die Kosten für einen Wechsel auf der obersten Führungsebene zwei bis vier Jahresgehälter betragen. Im mittleren Management werden ein bis zwei Jahresgehälter angegeben. Und auf der operativen Ebene ist die Rede von bis zu zwölf Monatsgehältern. Darüber hinaus wirft eine Fehleinstellung die Organisation locker um zwei Jahre zurück. Bevor ein neuer Mitarbeiter anfängt (vielleicht hat er sechs Monate Kündigungsfrist beim alten Unternehmen), die Probezeit durchläuft, eine Kündigung erhält, die neue Suche losgeht und ein zweiter Kandidat antritt, sind zwei Jahre schnell vergangen. Wenn es sich beispielsweise um den CDO (Chief Digital Officer) handelt, kann dies eine ganze Organisation beeinträchtigen. Und dabei reden wir noch nicht von der Frustration der Mitarbeiter in der betroffenen Abteilung. Auch untersuchen wir hier nicht, wie solche Fehlgriffe die Position des Verantwortlichen im Unternehmen schwächen.

Es wundert nicht, dass die Frankfurter Allgemeine Zeitung bereits vor einiger Zeit einem Artikel im Ressort „Beruf und Chance“ die Überschrift Die Angst des Interviewers verpasste. Darin wird bestätigt, dass Bewerber heute zum Teil extrem gut vorbereitet sind und sich wohlklingende Storys zurechtlegen, die für einen nicht geschulten Interviewer oft nur schwer zu durchschauen sind. Es sind jedoch in den allermeisten Fällen nicht die geschulten Mitarbeiter der Personalabteilung, die die Wahl treffen. Schließlich muss der Fachbereichsleiter mit dem neuen Mitarbeiter zufrieden sein und für die Entscheidung die Verantwortung übernehmen. Nun haben viele Führungskräfte Kompetenzen auf dem Gebiet des Controllings, des Qualitätsmanagements und der Produktion. Das befähigt aber nicht zum Führen von qualifizierten Einstellungsgesprächen. Anders der Bewerber. Dieser hat einige Gespräche hinter sich. Er ist auf Fragen vorbereitet. In der heutigen Zeit ist es leicht, durch Bewerbungslektüre, Coachings oder entsprechende Seminare, gegebenenfalls mit Video-Training, eigene Schwächen abzulegen.

Gewinnen von A-Mitarbeitern

Durch aktuelle Erkenntnisse nimmt der Druck auf die Führungskräfte noch weiter zu. Die jährliche Gallup-Studie zeigt seit 2001, dass sich circa 15 Prozent der Mitarbeiter stark mit dem Arbeitgeber identifizieren. Sie sind sozusagen die Zugpferde des Unternehmens. Diese A-Mitarbeiter sind bereit, eine Mehrleistung zu erbringen und haben das Wohlergehen des Arbeitgebers im Blick. Eine große Gruppe von 70 Prozent verrichtet Dienst nach Vorschrift. Sie erfüllt die im Arbeitsvertrag und in der Stellenbeschreibung definierten Aufgaben und erhält dafür das Gehalt. Dann gibt es auf der anderen Seite noch eine Gruppe von 15 Prozent, die enttäuscht, kritisch und unbeweglich ist. Diese Mitarbeiter haben es sich zur Mission gemacht, das Unternehmen zu schädigen, materiell oder durch aktiven und passiven Widerstand.

Experten wie Prof. Dr. Jörg Knoblauch von tempus weisen seit Jahren auf die Bedeutung der Gewinnung von A-Mitarbeitern hin. Es ist viel logischer, Aufmerksamkeit darauf zu fokussieren, den richtigen Mitarbeiter zu gewinnen, als zu einem späteren Zeitpunkt zu versuchen, den falschen mit viel Aufwand zu integrieren oder wieder loszuwerden. Nebenbei wird hier eine neue Führungsherausforderung deutlich. Es ist nicht damit getan, die richtige Person einzustellen. Diese sollte auch mithilfe eines gut durchdachten Einarbeitungsplans integriert werden. Auch anschließend ist es kein Selbstläufer. Viele Organisationen entwickeln ihre Mitarbeiter nicht weiter. Deshalb ist die Fluktuation unnötig hoch, teuer und mit viel Aufwand verbunden.

@metropolitan.verlag

Auszug aus meinem neuen Buch „Bewerben 4.0“

www.metropolitan.de/buch/bewerben-4-0/

Kapitelübersicht:

1 Bewerben 4.0: Verstehe die Welt

2 Positionierung auf dem Arbeitsmarkt: Folge deiner Leidenschaft

3 Resilienz: Sorge für dich selbst

4 Konvergente Entwicklung: Konzentriere dich auf das Wesentliche

5 Divergente Entwicklung: Mach dich sichtbar

6 Von Traditionalisten bis Generation Z: Nutze deine Chance

7 Neue Beschäftigungsverhältnisse: Gestalte dein Leben

8 Vertrauen: Baue ein Beziehungsnetzwerk auf

9 Das Jobinterview: Zeige deine Persönlichkeit

10 Rückkehr der Tugenden: Perfektioniere den Umgang mit Menschen