Rückkehr des klassischen Karriere-Coachings

Vor einigen Tagen erhielt ich eine Anfrage aus der Audio-Branche. Das Unternehmen war die letzten Jahre mit 20 Prozent pro Jahr gewachsen. Die Produkte kamen im Profi-Bereich für Großveranstaltungen zum Tragen. Am Jahresanfang hatten noch 16 Mitarbeiter neu angefangen. Auf Grund der Krise konnten sie nun – nach der Probezeit – nicht in ein festes Angestelltenverhältnis übernommen werden. Der Arbeitgeber wollte Verantwortung übernehmen und ihnen ein Outplacement-Paket zukommen lassen.

Die Fragestellung für Arbeitnehmer ändert sich gerade. Seit 15 Jahren war der Fokus weniger auf die Frage „Wie finde ich einen neuen Job“ gerichtet. Die Fragestellung lautete vielmehr: „Wie finde ich einen Job der zu mir passt?“ Für mich als Karriere-Coach handelte es somit mehr um das Zusammenbringen von Persönlichkeit und Werdegang. Darauf wurde Profile entwickelt mit denen meinen Kunden nachhaltig und intrinsisch motiviert auf dem Arbeitsmarkt aktiv bleiben wollten.

Auch gehörten Personen zu meiner Klientel, die recht genau wussten, was sie wollten. Aber die anvisierten Positionen waren weniger in den Job-Portalen auffindbar. Somit wurde an meine Kompetenz appelliert, den verdeckten Arbeitsmarkt zu erschließen und Jobs zu finden, wo diese nicht sichtbar und ausgeschrieben waren.

Die einzige Ausnahme des „klassischen Karrierecoachings“ waren Personen mit einem erklärungsbedürftigen Werdegang oder einer gewissen Lebensreife. Unverschuldet hatten manche recht viele Arbeitgeber in einem kurzen Zeitraum vorzuweisen. Andere wollten aus verschiedenen Gründen „Downsizen“. Dann gab es Kandidaten im Alter 55+ die mehr Aufwand betreiben mussten.

2005 – 2020

Das ändert sich gerade! Wenn wir zurückschauen, finden wir 2005 knapp 5 Millionen Arbeitslose. Prozentual lag die Arbeitslosigkeit bei 11,7 Prozent. Die Zahl halbierte sich bis Corona um die Hälfte. Es wurde eine „vier“ vor dem Komma geschrieben mit weniger als 2,3 Millionen Arbeitslosen. Die Generation der derzeitigen Berufseinsteiger kannte das Gefühl der Elterngeneration nicht. Kampf um den Job war ein nicht-vorhandenes Vokabular. Dafür der „War for Talents“ auf der Unternehmensseite. Viele Jahre füllten die Ansprüche der Generationen Y & Z die Blogs. Von der „Neue Macht der Arbeitnehmer“ war die Rede. Flexible Arbeitszeiten, eine ausgewogene Work-Life Balance und gute Einstiegsbedingungen machten die Runde. Es war keineswegs die Frage „ob“ ein neuer Job gefunden wurden konnte. Höchstens stellte sich die Frage für diejenigen welche regional gebunden waren oder die einfach die Auswahl vergrößern wollten.

Demographie

Nun sind wir in einer Situation zurück, die – eigentlich – auf Grund der Demographie ausgeschlossen werden konnte. Die Konjunktur stieg seit 10 Jahren an. Die verfügbaren Arbeitskräfte waren rückläufig. Viele Firmen haben sich nun allerdings zunächst für einen Einstellungsstopp entschieden. Und das Gespenst ist zurück: Die betriebsbedingte Kündigung! Diese gab es nur in Ausnahmefällen. Dazu fanden Mitarbeiter von Schlecker oder Air Berlin leicht ein neues Beschäftigungsverhältnis. Sogar in der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 hielten Unternehmer an den Mitarbeitern fest. Sie hatten 2003 in der Krise gelernt, dass die Arbeitnehmer unwiederbringlich verloren waren. Nun aber können Unternehmen ihre Angestellten nicht länger halten. Kurzarbeit hilft über temporäre Durststrecken hinweg. Aber die Zukunft ganzer Branchen wie der Tourismus und damit verbunden die Gastronomie oder auch die Luftfahrt scheint ungewiss. Die Liste kann beliebig auf Reisegepäck, Flughäfen, Luxusgüter, Fashion, Uhren und sonstige Güter die mit der Mobilität und dem Freizeitverhalten zusammenhängen, verlängert werden.

Zum ersten Mal stellt sich wieder die Frage „nach dem Job“…

Nun geht es zurück zu den Basics:

  • Welche Fachkompetenzen weise ich vor?

Wenn diese zuletzt sehr spezialisiert und somit für eine Nische interessant waren, können sie mehr generalistisch definiert werden?

  • In welcher Branche kann die Tätigkeit ausgeübt werden?

Wer im Finanz- oder IT-Bereich tätig war, kann möglicherweise Branche-unabhängig arbeiten. Gilt dieses auch für den Vertriebs- oder Marketing-Mitarbeiter?

  • Qualität der Unterlagen

Wie können Kompetenzen und Erfolge sichtbar dargestellt werden? Wie überzeugen Unterlagen mit so wenig wie mögliche und so viel wie notwendige Information?

  • Der verdeckte Arbeitsmarkt

Dieses Thema bleibt – gewinnt aber an Bedeutung. Noch immer gibt es Gewinner-Branchen!! Dazu gehören beispielsweise die Pharma-Industrie, die Netzwerkausrüster, teils die Medizintechnik, das Gesundheitswesen oder die Telekommunikation. Nicht betroffen sind häufig Software-Unternehmen, Behörden, teils Versicherungen, Banken. Umso wichtiger, die richtigen Kompetenzen in einer sinnvollen Matrix an der richtigen Stelle anzubieten. Das kann über Personalvermittler, Initiativbewerbungen, digitale Business-Profile, Lebenslaufdatenbanken oder das persönliche Netzwerk erfolgen. Viele bedauern, dass sie nicht mehr präsent in sozialen Medien waren.

Auch für Karriere-Coaches ein „Back to the Basics“. Die Umstellung findet nicht nur für die Kunden statt. Aus meinem Kollegen-Netzwerk nehme ich bereits eine Zurückhaltung wahr, ob das Outplacement noch mit der „Erfolgs-Garantie“ angeboten werden kann.

VUCA & Resilienz

Es war bis Anfang 2020 von einer „VUCA-Welt“ die Rede. Wir wurden mit starken Ausschlägen in allen Richtungen konfrontiert. Mit Unsicherheit, Komplexität und einer möglichen mehrdeutigen Interpretation der Umstände. Das zweite Zauberwort des zweiten Jahrzehnts war „Resilienz“. Wie konnten wir in dieser anspruchsvollen Umgebung standhalten? Nun, die VUCA-Welt hat zugeschlagen und wir benötigen Resilienz zum Überleben. Es kam nur anders als angenommen…

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