AIDA
AIDA, oder: Wie überzeugen Sie in zwei Minuten den Personalleiter von der Qualität Ihrer Unterlagen?
Eine Studie des Klaus Resch Verlags belegte vor einigen Wochen, dass sich ein Drittel der Unternehmen weniger als zwei Minuten Zeit für die Erstdurchsicht von Bewerbungsunterlagen nimmt. Wie können Sie also in dieser kurzen Zeit mit Ihrer Bewerbung überzeugen?
Ich habe einige Jahre für ein Direkt-Marketing Unternehmen gearbeitet, das zu jener Zeit 150 Millionen Euro Jahresumsatz auf dem Postversandweg erzielte. Bei Portokosten, die allein schon ca. eine Million Euro im Monat betrugen, war es nur verständlich, dass sich dieses Unternehmen mit dem Kundenverhalten nach dem Erhalt des Mailings intensiv beschäftigt hat.
Den Entscheidungsträgern war klar, dass es irgendwo da draußen einen großen Feind geben musste: Den Papierkorb, auch bekannt unter dem Synonym „Rundablage“! Aber auch wenn dieser überwunden worden war und der Kunde den Werbebrief in die Hand nahm, war die Schlacht noch keineswegs gewonnen. Zunächst galt es, gute Gefühle auszulösen, die den Kunden dazu bewegen würden, das Kuvert überhaupt zu öffnen. Anschließend sollten dieser den Inhalt dann auch noch lesen. Und da lesen allein nicht reicht, sollten das Interesse angeregt und Wünsche geweckt werden, um dann schlussendlich eine Aktion – die Bestellung – auzulösen.
In der Marketing-Sprache ist vom AIDA-Prozess die Rede: Attention (Aufmerksamkeit), Interest (Interesse), Desire (Wunsch), Action (Aktion). Auch Ihre Bewerbungsunterlagen sollten diesen Prozess in den einzelnen Stufen durchlaufen.
In der Ausgabe der Wirtschaftswoche FiveToNine, die mir im Mai zugeschickt wurde, wird über den Französischen Psychologen Clotaire Rapaille berichtet. Er ermittelt für Automobilkonzerne warum sich Konsumenten zu einem Produkt eher hingezogen fühlen oder eher nicht. Rapailles These: „Kaufentscheidungen treffen wir nicht mit dem Verstand, sondern aus dem Bauch heraus.“ Und er sieht sich bestätigt: „Shoppen ist eine zutiefst emotionale Angelegenheit.“ Auch auf dem Bewerbermarkt verkaufen wir – und zwar uns selbst! Wenn auch die schlussendliche Entscheidung zu einer Personaleinstellung weniger emotional getroffen werden mag, so sind die Vorstufen zu dieser Entscheidung sehr mit einem „Einkaufserlebnis“ zu vergleichen.
Wenn sich ein Unternehmen zunächst zwei Minuten mit Ihrer Bewerbung befasst, werden Ihre Unterlagen mit Sicherheit ganzheitlich wahrgenommen. Im vorigen Bewerbertipp haben wir uns bereits intensiv mit der „ersten Begegnung“, dem Versandkuvert, auseinandergesetzt. In den ersten zwei Minuten werden aber alle Aspekte gescreent, also quasi überflogen: Wie ist die Optik des Anschreibens? In welcher Weise wurde unterschrieben? Überzeugt die Qualität der Bewerbungsmappe? Ist das Bild ein Sympathieträger? Es sind also mindestens schon 60 Sekunden vergangen, ohne dass sich der Betrachter überhaupt mit den Fakten Ihrer Bewerbung befasst hat. Während dieser Minute ist aber sehr wohl ein Eindruck entstanden – und wahrscheinlich die Entscheidung, ob er überhaupt bereit ist, sich weiter vertiefend mit Ihren Unterlagen zu beschäftigen.
Was bedeutet das nun konkret?
Attention – Aufmerksamkeit (A)
Wenn sich ein Personalleiter pro Jahr mit Dutzenden oder gar Hunderten von Bewerbungen befasst, sollten Sie unbedingt Aufmerksamkeit erlangen, um aus dem Wettbewerbsumfeld ansprechend herauszuragen. Ein Unternehmen wird sich in den ersten zwei Minuten nicht nur mit Ihrer Qualifikation und den sog. Hard Facts beschäftigen. Daher sollten Sie ganzheitlich überzeugen. Lesen Sie hierzu bitte auch im ersten Beitrag, wie Sie den Betrachter bereits positiv mit Ihrem Versandkuvert einstimmen. Wenn dieser es öffnet, soll er seine guten Gefühle in der Hochwertigkeit ihres Anschreibens bestätigt finden (vielleicht 100g-Papier verwenden, statt 80g) und schon allein von der sowohl optischen als auch haptischen Erscheinung her zum Lesen animiert werden. Die Bewerbungsmappe soll schon als solche überzeugen und nicht abschrecken. Durch das transparente Deckblatt hindurch – daher bitte keine geschlossene Mappe verwenden! – soll ihn Ihr sympathisches Bild anlächeln. Es ist offensichtlich, dass die Unterlagen nicht mehrfach verwendet wurden. Davon zeugt allein schon die Tatsache, dass auf dem Deckblatt der Namen des Unternehmens vermerkt ist.
Interest – Interesse (I)
In dieser Weise eingestimmt, ist der Personaler nun gern bereit, sich tiefer gehend mit dem Inhalt Ihrer Bewerbung auseinander zu setzen. Der Eingangssatz im Anschreiben ist gut gelungen. Statt „Mit Interesse habe ich Ihre Anzeige gelesen…“ beginnt der Bewerber mit einem individuellen, auf das Unternehmen bezogenen Satz. Die Absätze sind überschaubar, durch Leerzeilen getrennt. Der Personalleiter hat das Gefühl, dass er sich jedes Mal neu entscheiden kann, ob er weiter lesen möchte. Der Aufbau des Anschreibens ist aber derart gut gelungen, dass der Gedanke, die Bewerbung zur Seite zu legen erst gar nicht aufkommt. Statt Positionen und Verantwortungen aufzuzeigen, berichtet das Anschreiben von Ergebnissen Ihres Handelns und Ihren persönlichen Erfolgen. Der Bewerber macht dem Leser hierin klar, was ihn einzigartig und somit interessant für das Unternehmen macht. Eine weitere Hürde ist genommen: Das Interesse in Ihre Person wurde geweckt!
Desire – Wunsch (D)
Nun möchte das Unternehmen mehr über den Kandidaten erfahren. Als nächstes wird der Lebenslauf zur Hand genommen. Klar und übersichtlich wird hier der Werdegang aufgeführt. Auf einen Blick ist deutlich, wann der Bewerber bei welchem Unternehmen und in welcher Funktion beschäftigt war und worin die Hauptaufgaben bestanden. Außerdem hat der Lebenslauf einen individuellen Schliff. Der Kandidat fügt zu den einzelnen Unternehmen noch einige Angaben hinzu: Verantwortete Produkte und Dienstleistungen, Anzahl der Mitarbeiter und getätigten Umsatz. Kurzum: Aussagekräftige Kennzahlen für seinen Bereich, sowie eine gültige Internetadresse. Voilà, die Firma Günter Kraut GmbH in Echterdingen erwacht für den Betrachter plötzlich zum Leben! Vielleicht rundet die sog. Dritte Seite das Profil noch ab. Beigefügte Zeugnisse bestätigen schließlich die vorherigen Aussagen. Der Bewerber weiß offensichtlich worauf es ankommt und gewinnt weiterhin durch Professionalität. Sie sind abermals einen bedeutenden Schritt weiter: Beim Unternehmen kommt der Wunsch auf, Sie nun näher kennen zu lernen.
Action – Aktion (A)
Die Aktion kann folgerichtig nur darin bestehen, als nächstes den Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Es war nicht nur Ihre Qualifikation, die überzeugt hat – und auch nicht Ihr bisheriger Erfolg. Es war Ihre gesamte Bewerbung, die ganzheitlich wahrgenommen wurde und letztendlich zur Einladung geführt hat. Sie, der Bewerber/ die Bewerberin, haben es verstanden, den Entscheidungsträger Schritt für Schritt durch Ihre Unterlagen hindurchzuführen. Sie haben es verstanden, dass die Einladung das Ergebnis einer Mischung aus Bauch und Verstand beim Empfänger ist – und haben Ihre Bewerbung entsprechend gestaltet.