Dritte Seite

„Die dritte Seite“: Eine sinnvolle Ergänzung der Bewerbung?

Bis vor wenigen Jahren war dieser Begriff unbekannt. Heute greift jeder Bewerbungsratgeber das Thema auf. Welche Bedeutung hat es für Sie?
Die „Geburt“ der dritten Seite ist nachvollziehbar. Es wurde doch immer propagiert (im Übrigen: Nicht völlig berechtigt), dass ein Anschreiben eine Seite nicht überschreiten sollte. Gleichzeitig sahen sich Bewerber mit der Tatsache konfrontiert, dass der Lebenslauf eine Aufzählung der beruflichen Stationen darstellte. Somit blieb wenig Raum für ergänzende Informationen.

Die „Erfindung“ dieses Themas wird meistens den Bewerbungscoaches und Schriftstellern Hesse & Schrader zugerechnet. Sie rieten zu einer zusätzlichen Seite, über das Anschreiben und den Lebenslauf hinaus. Eine gewisse Verwirrung, die bis heute anhält, entstand, als weitere Karriere-Coaches dieser Empfehlung folgten. Damit sie sich abgrenzten, nannten Püttjer & Schnierda ihren Ansatz die „Leistungsbilanz“. Andere Ratgeber sprachen von einem „Kompetenzprofil“. Jeder gab unterschiedliche Ratschläge in Bezug auf die Darstellung und den Inhalt dieser Seite, obwohl viele die gleiche Richtung verfolgten.

Die Diskussion hat dazu geführt, dass sich die dritte Seite zumindest etabliert hat. Der Bewerber ruft kein Stirnrunzeln hervor, wenn er von der Möglichkeit Gebrauch macht, seine Bewerbung zu erweitern. Das ist eine durchaus positive Errungenschaft. Es soll aber keiner unter den Druck geraten, um jeden Preis eine dritte Seite zu forcieren. Bewerbungen ohne diesen Zusatz gelten nicht als „verstaubt“.

Zunächst ist es einmal wichtig, dass die dritte Seite nicht bloß getätigte Aussagen wiederholt. Sie soll also einen Mehrwert darstellen. Worin kann dieser bestehen?

Einmal bietet sie eine hervorragende Möglichkeit (wie z.B. das Wort Leistungsbilanz zum Ausdruck bringt), Ergebnisse der vergangenen und derzeitigen Tätigkeiten zu dokumentieren. Häufig kommt eine Bewerbung nicht über die Auflistung der beruflichen Stationen hinaus. Es wird dann von Verantwortungsbereichen, Zuständigkeiten und Aufgabengebieten gesprochen. Es wird aber nicht klar, welche die Konsequenzen des eigenen Handelns oder auch die Resultate der persönlichen Entscheidungen waren. Dieses Thema ist dermaßen bedeutend, dass ich ihm im Inhalt einen eigenen Beitrag widmen werde. Auf alle Fälle hat der Bewerber die gute Möglichkeit, auf einer dritten Seite nochmals fundiert zu belegen, warum er sich in seiner Karriere nicht als Stelleninhaber, sondern als Leistungsträger sieht.

Ein zweiter Punkt, der häufig zu kurz kommt, ist die persönliche Kompetenz, die auch als „weiche Faktoren“ oder sogenannte Soft Skills bezeichnet werden. Diese sind wichtiger als oftmals angenommen. Wie Sie den vorigen Beiträgen entnommen haben, wirkt eine Bewerbung ganzheitlich. Ein Bewerber wird selten lediglich aufgrund seiner Fachkompetenz zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen oder gar eingestellt. Die Auflistung der Sozialkompetenz liefert einen wichtigen Beitrag zum Gesamtbild. Nachdem sich das Anschreiben vielfach nicht eignet, darin seine Persönlichkeitsmerkmale umfassend darzustellen, bietet die dritte Seite dafür den geeigneten Rahmen.

Es ist schon ein Unterschied, ob sich jemand als entscheidungsfreudig, schnell im Urteil, direkt in der Rede, ehrgeizig und ergebnisorientiert beschreibt oder eher als ein Team-Player, bedachtsam, loyal, unterstützend und bestrebt nach Harmonie.

Vielleicht erkennen sich manche darin, dass sie motivieren, begeistern, kommunizieren, Mitarbeiter mitreißen und ein motivierendes Umfeld schaffen können. Andere sehen sich eher als Hüter der Normen und Verordnungen, qualitätsbewusst, mit hohen Ansprüchen an Implementierungen, bedacht auf das Erstellen, Einhalten und Überprüfen von Prozeduren und Abläufen.

Es sind diese Zusatzinformationen, die – neben den Leistungen – auf der dritten Seite ihre Berechtigung finden. Wenn die Aussagen noch mit konkreten Beispielen belegt sind, erhöht dieses die Authentizität. Damit grenzen Sie sich ohne Zweifel von Ihren Mitbewerbern ab. Sie gehören dann zum sehr kleinen Prozentsatz der Bewerber, die dokumentieren, dass sie wissen, worauf es ankommt. Außerdem sind Sie in der Lage, die Frage nach Ihren Stärken und Alleinstellungsmerkmalen adäquat zu beantworten. Personen, die glaubwürdig über die eigenen Fähigkeiten (und Schwächen) reden und diese annehmen, werden als charismatisch empfunden und gern zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Abschließend kann eine dritte Seite noch dazu verwendet werden, umfassende Projekt-Kenntnisse darzustellen. Auch bevor die dritte Seite anfing ein Eigenleben zu führen, war es bereits üblich, Bewerbungen – wenn zutreffend – um diese Information („Projekterfahrung“) zu ergänzen. Einige Bewerber verfügten auch in der Vergangenheit bereits über solch umfangreiche und erklärungsbedürftige Berufserfahrungen, z.B. auf dem Gebiet der IT, dass sie es als unerlässlich ansahen, diese auf einem Zusatzblatt zu dokumentieren. So gesehen gibt es vielleicht wenig Neues unter der Sonne. Manch kritischer Beobachter sieht die dritte Seite lediglich als des Kaisers neue Kleider an.

Damit werden wir dem Thema aber nicht ganz gerecht. Für jeden Bewerber ist es ein Vorteil, dass er nicht länger gezwungen ist, sein Anschreiben unangebracht in die Länge zu ziehen. Auch kann der Lebenslauf seine Grundfunktion beibehalten, nämlich eine gute und fundierte Übersicht über die jeweiligen beruflichen Stationen zu gewährleisten. In der Vergangenheit haben Bewerber den Lebenslauf missbraucht und die eigentliche Funktion mit Leistungsaussagen vermischt. Umsatzsteigerungen gingen dann Hand in Hand mit Positionsbeschreibungen und Aufgabenschwerpunkten.

Mit der dritten Seite ist nun eine anerkannte Bereicherung der Bewerbungsunterlagen ins Leben gerufen, die viele Vorteile bietet. Das Muster ist flexibel und der Bewerber ist eingeladen, auch mit Überschriften, wie „Was Sie noch über mich wissen sollten“ die Informationen kund zu tun, die ihm wichtig erscheinen, aber für die er bisher keine geeignete Stelle gefunden hat.

Egal, ob Sie Hochschulabgänger sind oder bereits auf viele Jahre Berufserfahrungen zurückschauen, der zusätzliche Raum – wenn überzeugend genutzt – bietet Ihnen zweifellos die Gelegenheit, Ihre Bewerbung mit einer weiteren persönlichen Note zu versehen. Dadurch gewinnt sie an Individualität. Es ist gerade die Unterschiedlichkeit, mit der Sie herausragen und mit der Sie sich aus der Vergleichbarkeit zu anderen Bewerbern abgrenzen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gute kreative Überlegungen bei Ihrer Gestaltung der dritten Seite.