Leseprobe aus meinem neuen Buch „Bewerben 4.0“ das Anfang Januar erscheint – Kapitel 3: „Resilienz – Sorge für dich selbst“

Inseln der Erholung

„Früher hat man 50 Jahre lang am gleichen Arbeitsplatz gesessen. Heute wechselt man den Arbeitsplatz im Schnitt sechs- bis achtmal in seiner Karriere“, meint Volker Barczynski, Berater bei Kienbaum.

Gerade die Zeiten zwischen den Arbeitsstationen ermöglichen häufig Inseln der Erholung. Die heutige Zeit bietet zunehmend Freiheiten, einen Wechsel kreativ auszufüllen. Wer Glück hat, wird nach der Kündigung freigestellt. Bei bestimmten Funktionen, wie Mitarbeiter im IT-Bereich, Vertrieb oder in strategischen Positionen, ist das durchaus üblich. Wenn eine Aufhebungsvereinbarung mit einer Abfindung im Raum steht, ist es vielfach möglich, die Einmalzahlung in einen längeren Beschäftigungszeitraum umzuwandeln.

Auch ist es heute mit Abstand weniger problematisch, eine Lücke zwischen zwei Beschäftigungen entstehen zu lassen. Ein neuer Arbeitgeber schaut nicht mehr kritisch, wenn das letzte Angestelltenverhältnis einige Monate zurückliegt. Dies kann man im Anschreiben auch damit begründen, dass der Abschied vom vorherigen Arbeitgeber als Chance für ein „Mini-Sabbatical“ betrachtet wurde. Ich betreue zunehmend Klienten, die von dieser Option bereits nach dem ersten Arbeitgeber Gebrauch machen. Bei Personen in der Lebensmitte, also ungefähr zwischen Ende 30 und Ende 50, ist es fast Standard.

Natürlich ist es hilfreich, wenn berichtet werden kann, dass in dieser Zeit das zweite Kind geboren, das Haus umgebaut oder eine dreimonatige Kreuzfahrt gemacht wurde.

Kalle, 48, rief mich an. Er hatte auf meiner Website gesehen, dass ich Karriere-Coaching anbiete und wollte eine Einschätzung zu seinem Vorhaben. Er war 15 Jahre als angestellter Projektmanager bei einer Bank gewesen. Nun wollte er sich seinen Traum erfüllen und mit seiner Frau eineinhalb Jahre lang die Welt umsegeln. Ich habe gezögert und ihm davon abgeraten – wohl noch zu sehr geprägt von meinem „alten Denken“ … Nach der Rückkehr wäre er 50 Jahre alt. Eine Weltumseglung wäre in der Bewerbungsphase vielleicht nicht gut vermittelbar. Ein Profil als Projektmanager kann schnell unscharf werden. Denn manche verstehen darunter die Einführung von SAP, andere den Bau einer Fabrik und wieder andere die Begleitung einer Reorganisation. Außerdem war das Bankenumfeld eine Branche in Bewegung, in der ich eher Trennungen als Neueinstellungen beobachtete. Er bedankte sich freundlich für meine Meinung und ist dann losgesegelt. Ich erhielt gelegentlich einen Gruß aus der Karibik oder von anderswo, wenn er zufällig über WLAN verfügte. Kurz vor der Rückkehr teilte er mir mit, dass er zunächst selbst versuchen würde, wieder in ein Angestelltenverhältnis zu wechseln. Wenn sich seine Bemühungen nicht als erfolgreich herausstellen würden, hätte er vor, meine Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Kurz darauf meldete er sich, dass er unter mehreren Angeboten auswählen konnte. Fazit für mich: Ich hatte zu vorsichtig gedacht und den Markt zu konservativ eingeschätzt.

Detlev, 50, ist einer von 30 Geschäftsführern einer großen Krankenhausgruppe. Er ist  seit 25 Jahren mit dem Unternehmen verbunden. Da er genau das macht, was ihm Spaß macht und was er gut kann, geht er jeden Tag gern in die Arbeit. Dennoch hat  er Träume, die er mit dem regulären Urlaub nicht abdecken kann. Seine Wunschvorstellung: Drei Monate mit seiner Ehefrau mit einem Wohnwagen durch Skandinavien. Er spricht mit dem Vorstand, der Bedenken hat. Ein Grund: Die Signalwirkung, denn ein Sabbatical-Modell existiert im Unternehmen nicht. Dennoch kommt grünes Licht. Detlev arbeitet zwei Jahre lang auf diesen Zeitpunkt hin. Seine Aussage: Die letzten drei Monate waren am stressigsten. Zielsetzung: wirklich aus der Arbeit heraus zu sein und die Zeit ungestört genießen zu können.

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