Letzte Woche sprach ich mit einem Klienten. War 14 Jahre Verwaltungsleiter in einer Non-Profit Organisation. Jetzt stand eine Trennung an. Das Zeugnis war bestens. Hier war ein Macher am Werk gewesen. Millionen flossen über seinen Tisch. Hat die Umsätze stärker steigen lassen als die Kosten. So jemanden möchte jeder haben.
Im Telefonat brach Panik aus. „Ich bin geeignet als zweiter Mann. Das mit den Kosten ist nur darauf zurückzuführen, dass ich kein geeignetes und bereits genehmigtes Personal gefunden habe.“ Seine Frage: Wie mache ich klar, dass ich nicht derjenige bin, der aus meinen Unterlagen und vor allem meinem Zeugnis hervorgeht? Wie kann ich einen Job, ruhig im zweiten Glied finden?
Eine andere Geschichte, etwas länger her. Geschäftsführer eine Bahnbetreibergesellschaft. Erfolgreich. Wird auch noch Geschäftsführer zwei Töchtergesellschaften. Mitte 30. Bringt messbare Ergebnisse. Auch hier die Vertragsauflösung. Der Mann hat nichts dagegen, es diesmal ein wenig ruhiger angehen zu lassen. Die erste Ehe ist in die Brüche gegangen. Das soll sich mit der neuen Freundin nicht wiederholen.
Dritte Story. Ein Vice-President eines großen Stahlkonzerns hat mit 53 gerade seinen nächsten Fünf-Jahresvertrag unterschrieben. 200.000 Euro p.A. Firmenwagen. 5er, A6 oder E-Klasse. Dann stellt er fest, dass sein Haus bezahlt ist, seine Kinder ausgezogen und er mehr Zeit mit seiner Frau verbringen möchte.
Geschichte Nr. 1 ist noch nicht abgeschlossen. Für die Geschichten Nr. 2 und Nr. 3 gab es nur einen Weg: die in die Selbstständigkeit! Von da aus gab es für Person 2 erneut einen Weg ins Angestelltenverhältnis. Person 3 erzielte bis zur Rente die Hälfte der vorherigen Einnahmen und war dabei sehr glücklich!
Downshiften ist nicht vermittelbar. Leider. Der Arbeitgeber kann einfach nicht glauben, dass jemand mit Weniger zufrieden ist. Schließlich definieren wir uns in Deutschland über die Leistung. So glaubt der Arbeitgeber, dass der Kandidat sofort wieder weg ist, wenn ein besseres Angebot lockt. Wenn der Bewerber es dann wirklich ernst meint, hat er bestimmt einen Burn-out hinter sich – und kann somit keine Leistung mehr erbringen.
Dass es viele Gründe für den Wunsch nach „Weniger“ geben kann, ist in Deutschland nicht angekommen. Da spielt möglicherweise (Artikel) das Peter-Prinzip eine Rolle. Das können geänderte Lebensumstände sein. Ich kennen aus meinem Klientenkreis zwei Personen, die aus familiären Gründen einen Job-Wechsel anstrebten. Die eine war drei Wochen pro Monat in China für die Vorbereitung der Produktion – als das erste Kind geboren wurde. Die zweite Person führte eine 70-Stundenwoche. Seine Freundin, mit der er seit 10 Jahren zusammen war, feierte ihren 39. Geburtstag und wollte Kinder.
Aber viele Autoren wie Romano Guardini (die Lebensalter), Bob Buford („Half-Time“ – from Success to Significance), Stephen Covey (the 8th. Habit – from Effectiveness to Greatness) oder van der Brug/Locher (Unternehmen Lebenslauf) sprechen darüber, dass die erste Hälfte vom Streben nach Erfolg geprägt ist. Die zweite Hälfte wird dann eher der Nachhaltigkeit, der Sinngebung und dem Spuren hinterlassen gewidmet. Alles nicht vermittelbar.
Gibt aus Auswege? Kaum! Das ist natürlich keine schöne Botschaft. Wie könnte es funktionieren?
- Lebenslauf umgestalten – wie im Artikel erwähnt
- Rückzug in die Selbständigkeit – gewiss nicht für jeden geeignet
- Lawrence Peter beschreibt im vorletzten Artikel seines Buches „Das Peter-Prinzip“ wie man sich intelligent „doof“ stellt, damit keiner auf die Idee verfällt, Sie nochmals zu befördern. Nur, was tun wenn dieses doch geschehen ist?
- Offen mit dem Wunsch nach einer anderen Tätigkeit umgehen, diesen begründen und hoffen, dass man Glück hat und auf Verständnis stoßt. Dieses ist nicht auszuschließen, verzögert den Job-Huntingprozess aber wahrscheinlich erheblich.
Bleibt die Hoffnung, dass wir eines Tages mit diesem Thema umgehen können, wie es in den USA bereits üblich ist. Die Chancen dazu stehen nicht schlecht. Auf Grund des demographischen Wandels erleben immer mehr Personen die Veränderungen bei sich selbst.
Wenn in der Unternehmenswelt ein betriebliches Gesundheitsmanagement eingeführt wird, das Arbeitsplätze und Aufgabengebiete altersadäquat aufbereitet, kann von einem Verständnis ausgegangen werden, dass auch die Mitarbeiter die von außen kommen, einem Wandel unterliegen im Laufe des Lebens.
Vielleicht braucht es auch mehr Leute mit Mut. Solche die aufstehen und sagen: „Es geht nicht darum, dass wir nicht mehr können; wir wollen nicht mehr!“ Auch hier stehen die Zeichen gut. In einem Arbeitnehmermarkt geht die Macht in Richtung der Angestellten. Diese fordern – wie wir in umliegenden Ländern mit nahezu Vollbeschäftigung sehen – nicht immer mehr Lohn. Sondern eher mehr Freizeit. Nicht umsonst steht Work-Life Balance an erster Stelle der Arbeitnehmerbedürfnisse, weit vor dem Gehalt. Das schmeckt nicht jedem Arbeitgeber, aber zeigt ein Bild der kommenden Jahre.
Das Nicht-Vermittelbare wird vermittelbar werden. Ob es immer auf Verständnis trifft? In einigen Bundesländern und bei mehreren Berufsbildern können sich Arbeitgeber bereits heute den Luxus der Ablehnung kaum mehr leisten. Vor Herzen oder notgedrungen: Sie werden sich für eine Zusammenarbeit mit den kompetenten Fachexperten und Führungskräften entscheiden, die noch am Markt verfügbar sind.
27.01.2015