Erfolgsmythen

„Erfolg ist kein Zufall“ – sagt ein Buchtitel. Damit ist in uns etwas angezündet. Wenige glauben, dass wir keinen Einfluss auf den Lauf der Dinge haben. Wenn wir also nicht untätig in unserem Stuhl sitzen und das Leben an uns vorbei ziehen lassen wollen, stellt sich die Frage: Wie kann ich mein Leben steuern?

Und mit dem Management unseres Lebens meinen wir dann die Zielerreichung. Nun sind Ziele selbstverständlich unterschiedlich. Aber die meisten definieren „Erfolg“ als dort ankommen, wo wir hinkommen wollen.

Im Laufe unseres Lebens entdecken wir, dass wir die Punktlandung nicht so häufig realisieren als wir diese vorhatten. Da kann Verbitterung die Konsequenz sein. Oder in milderer Form: die Apathie. Auf der anderen Seite der Skala bleiben die übrig, die weiterhin ihre Ziele anvisieren – egal wieviel Anläufe dazu notwendig sind.

Gern schauen wir uns die Personen an, „die es geschafft“ haben – und hören uns die Geschichten an, wenn der Weg dahin skizziert wird. Was war das Erfolgsgeheimnis der Sportler in Rio? Woher hat diese Person eine solche gewinnende Ausstrahlung? Und im beruflichen Umfeld: Wie schafft es jemand an die Spitze?

Die Erfolgslektüre ist vielfältig. Häufig entstehen Bilder die der Wirklichkeit nicht gerecht werden. Es kann befreiend sein, sich diese Mythen näher anzuschauen:

  1. Qualifikation

Wir leben in Deutschland – und hier ist alles genormt. Wir schauen uns mit Staunen die Wahlkampagnen in den USA an und können mit Emotionen nichts anfangen. Daher sind wir froh, dass wir ein herausragendes Ausbildungssystem haben. Abschlüsse werden dokumentiert. Leistung und Können werden zertifiziert. Werden unser Kompetenzen aber auch honoriert?

Spätestens in Bewerbungssituationen stellen wir fest, dass die Qualifikation lediglich einen Teil der Auswahlkriterien darstellt. Zu 50 Prozent spielt die Persönlichkeit eine Rolle. Oder auch der Zufall im Sinne einer guten Konstellation. Sind wir die richtige Person zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort? Erkennt ein Förderer oder Mentor unsere spezifischen Kompetenzen die gerade in diesem Moment benötigt werden?

  1. Sympathie

Neben dem „Momentum“, der Tatsache, dass wir in unserer Einzigartigkeit gerade in einer spezifischen Situation gebraucht werden, spielt auch immer die Sympathie eine Rolle.

Lauren Rivera stellte nach der Beobachtung vieler Interviews fest, dass es die Beiläufigkeiten sind, die häufig den Ausschlag geben. Hat man dasselbe Hobby? Wurde das Studium an der gleichen Universität absolviert? Ein erster Eindruck entsteht bereits nach sehr kurzer Zeit. Vielfach wird nach dieser anfänglichen positiven Meinung nur noch selektiv wahrgenommen damit das erste „Bauchgefühl“ bestätigt wird.

  1. IQ versus EQ

Die Erkenntnis ist nicht neu. Bereits um die Jahrtausendwende forschte Daniel Goleman und kam zur Schlussfolgerung, dass IQ hilfreich ist beim Einstieg in ein Unternehmen. Zu 90 Prozent machten die Leistungsträger aber Karriere die über EQ, Emotionale Intelligenz, verfügten.

Ab einem gewissen Zeitpunkt tritt (häufig) die Fachkompetenz in den Hintergrund und werden soziale Aspekte, „Soft Skills“, wie Umgang mit Kritik, Überzeugungskraft, Glaubwürdigkeit, andere zum Erfolg verhelfen, Dienstbarkeit, oder auch das eigene Leben als Vorbildfunktion bedeutender. Je nach Ära steht die Durchsetzungsfähigkeit mehr im Vordergrund – oder auch die Demut. Das eine schließt das andere, übrigens, nicht aus.

Welche Schlussfolgerungen können aus diesen Tatsachen gezogen werden?

a. Entspanntes Leben

Wenn ich mein Leben nicht zu 100 Prozent in der Hand habe und immer auch die „Passung“ eine Rolle spielt, kann ich entspannter leben. Das bedeutet nicht, dass ich meine Entwicklung als Zufall ansehe. Aber ich bin mir bewusst, dass die Puzzlestücke auch zusammen passen müssen.

Steven Spielberg wurde zweimal von einer Filmakademie abgelehnt. Joanne Rowling hat bei 40 Verlagen angeklopft bevor ihr Harry Potter Skript verlegt wurde und sie damit von Sozialhilfeempfängerin reicher als die „Queen“ wurde.

Somit bin ich – in der Sprache von Harry Potter – nicht aus der Verantwortung entlassen, mit meinen Kompetenzen, Wünschen und Träumen zu haussieren und zu akquirieren. Dennoch sehe ich es nicht als Versagen wenn meine Vorhaben nicht auf Anhieb gelingen.

b. Beharrlichkeit

Der 60-jährige Einkaufsleiter wollte nochmals in ein neues Angestelltenverhältnis wechseln. Er bewarb sich auf ausgeschriebene Stellen. Ohne Erfolg. Er bewarb sich initiativ. Das funktionierte schon besser. Dennoch war er kaum in der Lage, die benötigten Anzahl Kontakte auf den Weg zu bringen die erforderlich gewesen wären um zum Ziel zu kommen. Schließlich machte er vom Dienstleistungsangebot eines Massenmailingversenders (RADAS) Gebrauch und erhielt sechs Einladungen zum Vorstellungsgespräch. Er tritt am 1. Oktober in ein neues, festes Angestelltenverhältnis ein – in der Provinz zwischen Heilbronn und Würzburg, wo Fachkräfte Mangelware sind.

Was, wenn er aufgehört hätte? Wer im Lotto gewinnen will, muss spielen!

c. Soft Skills

Gerade, nachdem die Neurologie in der Lage ist, Gehirnströme noch besser zu messen, wird bestätigt, dass wir 88 Prozent unserer Entscheidungen unbewusst treffen. Wie beim Eisberg spielen die Emotionen und Bilder unterhalb der Oberfläche die entscheidende Rolle in unserem Handeln. Wir lassen uns von den Gefühlen steuern und begründen diese rational.

Im Leben bedeutet dieses, dass wir auch bei anderen nicht nur mit Qualifikation, Zeugnissen, Weiterbildungen und vergangenen Stellenbezeichnungen überzeugen. Auch Leistungen und Erfolge sind kein Garant für den nächsten Job.

Wir sind gut beraten, unsere Fachkompetenz mit Zuhören, Empathie, guten Manieren, aufrichtigem Interesse an der anderen Person, einem Streben nach Verbundenheit im Gespräch, Wertschätzung und Respekt zu garnieren.

Das Bild wird bunter – und macht Schluss mit dem Mythos dass Erfolg machbar ist. Manchmal ist Loslassen erforderlich um empfangen zu können. Ein Garant ist es jedoch nie!