Euphorie der Stellensuche

Um die Arbeitsplatzzufriedenheit war es in Deutschland noch nie sonderlich gut bestellt. Das überaus renommierte Gallup-Institut veröffentlicht jährlich die anerkannte Studie nach drei Kategorien. Es sind Bewegungen erkennbar. Der Trend bleibt aber ziemlich gleich:

• 15% der Arbeitnehmer identifizieren sich sehr stark mit dem Unternehmen
• 70% machen Dienst nach Vorschrift
• 15% haben innerlich gekündigt oder schädigen den Arbeitgeber bewusst

Die Unzufriedenheit – so auch die FAZ – hängt zum erheblichen Teil mit der Führung zusammen. Die neue Ausgabe von Brand Eins, Schwerpunkt Führung, bestätigt, dass – zumindest in den USA – 65% aller Arbeitnehmer auf eine Gehaltserhöhung verzichten würden, wenn sie dafür einen anderen Chef bekommen. Bei „uns“ sieht das bestimmt nicht anders aus.

Daran ändert auch ein aktuelles Umdenken der Unternehmen nichts, die „Führung“ mehr als Kompetenz erkennen und weniger als „Belohnung“ für fachliche Qualifikation oder langjährige Dienste. Die Gleichstellung von Fach- und Führungskarriere steht noch ziemlich am Anfang.

Das gute Geschäftsklima, der positive Blick in die Zukunft, die Konsequenzen des demografischen Wandels führen dazu, dass viele „unzufriedene“ Arbeitnehmer nun offen für eine neue Stelle sind. Nach dem Motto: The grass is always greener at the other side of the valley.

Und hier liegt dann auch die Gefahr. Wer im alten Unternehmen gelitten hat, geht mit einer selektiven Wahrnehmung zum neuen Arbeitgeber. Ist der Boss hier sympathisch? Sind Überstunden keine Normalität? Herrscht eine Kultur der Transparenz? Wo kann ich dann unterschreiben?

Zu spät wird bemerkt, dass beim neuen Arbeitgeber eine strenge Kontrolle statt der Förderung von Eigeninitiative vorherrscht. Oder es ist eine Verschlossenheit vor allem Neuen vorhanden. Oder eine strikte Einhaltung der Hierarchie und Abläufe, was an sich gut sein kann, sich aber nicht deckt mit Ihrem Wunsch nach Autonomie.

Wenn Mitarbeiter innerhalb der Probezeit kündigen, hat mehr als die Hälfte die Entscheidung bereits am ersten Tag getroffen. So ist bei jeder Euphorie und der realistischen Option, leicht den Job wechseln zu können, Vorsicht angesagt:

• Lesen Sie im Vorfeld den Jahresbericht (Bundesanzeiger.de)
• Fragen Sie, was unter Führung verstanden wird und wie diese sichtbar wird
• Lassen Sie sich Ihren neuen Arbeitsplatz zeigen
• Reden Sie mit Ihrem zukünftigen Team – auch in Einzelgesprächen
• Fragen Sie Ihre Führungskraft, welche Leistungen Sie im kommenden Jahr erbringen sollten, damit diese der Meinung ist, dass Sie einen guten Job gemacht haben
• Wenn das Unternehmen ein Mensch wäre, wie würde Ihr Gegenüber im Vorstellungsgespräch die Charakteristika beschreiben?
• Schauen Sie, wie Ihr potenzieller Arbeitgeber auf Kununu bewertet wird, konfrontieren Sie ihn mit den Aussagen und schauen Sie nach der Reaktion.

16.04.2015