Maslow reload – Zeit oder Geld?

Die Realität des Fachkräftemangels wurde gern mit dem Argument von der Hand gewiesen, dass die Löhne nicht steigen würden. Arbeitskraft wird in dieser Argumentation angesehen wie Platin, Öl oder auch Sojabohnen. Die Nachfrage nach Mitarbeiter nimmt zu… also steigen die Gehälter. Dieses Denken stammt aus 1776 als Adam Smith mit seinem Buch „Wohlstand der Nationen“ versuchte zu erläutern wie Angebot und Nachfrage zusammenhängen.

Wer die FAZ vom 30. Dezember vorliegen hat, wird eines Besseren belehrt. Seite 22 ist zweigeteilt. Die obere Seite: „Die Stunde der Arbeitnehmer: Der Wunsch vieler Mitarbeiter nach mehr Freizeit – und wie Unternehmen damit umgehen“. Die untere Hälfte: Ein Interview mit Ulrich Weber, Personalvorstand der Deutschen Bahn. Thema: „Die neue Freiheit der Wahl zwischen mehr Geld und mehr Freizeit ist Zeichen des Wertewandels in der Gesellschaft“. Überschrift: „Der Kunde ist König, aber der Mitarbeiter mindestens Prinz“.

Zweifel an Maslow sind angebracht. Die Theorie, dass der Mensch jeweils eine nächste Stufe der Bedürfnisbefriedigung anstrebt, wenn der darunter liegende Bedarf befriedigt ist, wurde bereits von Viktor Frankl in Frage gestellt. Er hat beobachtet, dass im KZ, wo nicht den meist elementaren Grundbedürfnissen im Ansatz begegnet wurden, dennoch die Suche nach dem Sinn prominent vorhanden war. Bei Maslow ist diese Stufe ganz oben angesiedelt.

Gleichwohl sehen wir Maslows Prinzip am Arbeitsmarkt. Wer wenig verdient, misst einer Gehaltserhöhung eine bedeutendere Rolle zu als der, welcher mit seinem Geld gut auskommt (ich vertiefe hier nicht die Finessen, dass viele auch mit „viel“ Geld schlecht auskommen). In Zeiten der Arbeitslosigkeit ist die Macht der Arbeitnehmer logischerweise auch geringer. Es fällt schwerer, Wünsche durchzusetzen. Nun finden sich drei Gegebenheiten gleichzeitig statt:

  • Der Arbeitsmarkt hat sich von einem Arbeitgeber in einen Arbeitnehmermarkt verwandelt. Mitarbeiter gewinnen eine neue Macht in den Verhandlungen.
  • Viele Bedürfnisse sind bereits befriedigt. Somit rückt die Flexibilisierung der Arbeitszeit, gerade auch aus Arbeitnehmersicht in den Vordergrund.
  • Die Generation Y (das sind mittlerweile immerhin die knapp 40-Jährigen) legte schon immer einen großen Wert auf die Autonomie der Zeiteinteilung, die Work-Life-Integration.

 

Unternehmen werden mit diesen Anforderungen konfrontiert und haben darauf unterschieidliche Antworten. Firmen wir Trumpf in Ditzingen haben rechst rasch mit Lebensarbeitskonten reagiert und gewinnen damit als attraktiver Arbeitgeber qualifiziertes Personal.

Auch die Bundesbahn hatte bereits am Jahresanfang mehr Geld oder mehr Zeit angeboten. Nun liegen Ergebnisse vor. Für die Bahn überraschend haben sich mehr als die Hälfte der Mitarbeiter für mehr Zeit entschieden – und gerade die Jungen, nicht die „Alten“. Eine spannende Herausforderung, denn der Personalbestand muss somit zusätzlich aufgestockt werden. Die vergangenen fünf Jahre wurden bereits 60.000 Mitarbeiter neu angestellt. Nun werden in den kommenden 10 Jahren nochmals 100.000 Mitarbeiter gesucht. Somit wird die Hälfte der Belegschaft ausgewechselt, was auch hier die Realität der Demographie belegt.

Fazit: Gute Zeiten für den Arbeitnehmer! Wer 2018 in einer unerwünschten Situation verharrt, muss sich immer mehr mit der Realität befassen, dass es sich um eine selbstbestimmte Entscheidung handelt, nicht um eine Notwendigkeit.