Topmanager: Positionsverlust – wie vom Blitz getroffen

Der Job-Verlust offenbart immer die Persönlichkeit. Gestern war Sekretärin, Firmenwagen, Visitenkarte und eine Antwort auf die Frage: „Und, was machst Du beruflich?“ Heute wundert sich der Nachbar, dass wir „so lange Urlaub haben“, der acht Jahre alte Passat steht vor der Tür und der Tag hat keine Verpflichtungen. Zu unserem Staunen geht es auch weiter im Unternehmen ohne uns. Und die ehemaligen Kollegen denken eher an ihre Zukunft als, dass sie sich mit uns beschäftigen.

Der Artikel sagt:

„Wie schnell und gut Manager den Verlust verarbeiten und sich wieder wie der Wanderer auf den Weg nach oben machen, hängt sehr stark vom Grad ihrer Selbstkomplexität ab. Je weniger sich Führungskräfte allein über ihre bisherige berufliche Position definieren, sondern auch über ihre Identität aus anderen Rollen, zum Beispiel als Vater, Sportler oder Musikliebhaber, desto besser kompensieren sie den Verlust.

Für viele Topmanager ist jedoch die Rolle des erfolgreichen Firmenlenkers zum zentralen Pfeiler ihrer Identität geworden. Person und Position sind mit der Zeit so stark verschmolzen, dass sie nicht mehr unterscheiden konnten, welche Anerkennung sie aufgrund ihrer Persönlichkeit und welche aufgrund ihrer Position erhalten haben.“

Der Verlust des Arbeitsplatzes richtet den Scheinwerfer auf die eigene Identität. Ein verbreitetes Wertesystem ist „Wert durch Leistung.“ Wir sind wert, was wir leisten – und fallen somit in ein Loch, wenn die Leistung nicht länger erbracht werden kann.

Anselm Grün sagt in seinem „Buch der Lebenskunst“ – Kapitel: Ars Moriendi

>> Heute haben die Menschen nicht nur vor dem Tod Angst und vor dem, was nach dem Tod geschieht, sondern noch viel mehr vor dem Zustand der Hilfslosigkeit und Pflegebedürftigkeit. Er geht gegen unsere innere Ehre, wenn wir ständig auf die Hilfe anderer angewiesen sind, wenn wir im Geist verwirrt sind und nicht mehr für voll genommen werden. Ich stelle mir immer wieder einmal vor, wie das denn bei mir wäre, wenn ich verwirrt wäre, nur noch ein Pflegefall, wenn meine Intelligenz weg wäre, wenn ich nicht mehr denken, schreiben, sprechen könnte. Es fällt mir nicht ganz leicht, das auszudenken. Aber wenn ich mich frage: Was trägt dich dann, was macht deinen Wert aus? Dann spüre ich: Es gibt in mir eine unantastbare Würde, die mir niemand nehmen kann, auch die Krankheit nicht, auch nicht das Verwirrtsein. <<

Anselm Grün redet vom „Wert durch Sein.“

Wenn ich Personen begleitet in einer Phase der Neu-Orientierung spielt diese Erfahrung immer eine Rolle. Wer festhält an alten Werten und deren Brüchigkeit nicht erkennt oder akzeptieren will, kann in einer solchen Lebenssituation leicht bitter werden, zu Selbstmitleid oder Schuldzuweisungen verfallen.

Manche finden vielleicht einen anderen Job, aber haben dennoch das Erlebte nicht verarbeitet. Sie reden nie darüber mit den Kindern oder Bekannten. Und sie blenden den Blitz-Einschlag aus, in der Hoffnung, dass sie eine solche Situation nie wieder erleben.

Andere lernen jedoch die Situation zu umarmen. Sie stellen fest, wie sehr sie auf andere Menschen in ähnlicher Situation herab geschaut haben – und schämen sich. Sie werden milder, mit sich selbst, mit anderen. Einige bauen und anderes Werte-System auf und gehen gestärkt aus der Situation hervor. Sie haben gesehen, dass sie auch dieses Erlebnis bewältigt haben und die Angst vor einer etwaigen Wiederholung ist verschwunden. Im Gegenteil: Viele meinen: Etwas Besseres hätten mir nicht passieren können – denn freiwillig hätte ich dieses Standortbestimmung nicht vorgenommen. Ich wäre weiter gelaufen auf dem geebneten Weg, ohne mich zu fragen, ob dieser Lebensstil noch zu mir passt und optimal den Werten und Zielsetzungen meiner derzeitigen Lebensphase entspricht. Wie der Artikel sagt:

„Der Manager ist an dem Erlebten gewachsen. Durch die Besinnung auf die ganz persönlichen Ziele und Wertvorstellungen gelingt es ihm letztlich, den Umbruch konstruktiv zu bewältigen und in einer neuen Position durchzustarten. Häufig entspricht diese neue Aufgabe stärker den persönlichen Stärken und Wünschen und die Manager sind zufriedener als in der verlorenen Position. Der Wanderer ist auf einem neuen Gipfel angekommen.“

Aber wir bleiben Menschen. Wie ein Kandidat mir schrieb (Buch: Mein neuer Job – Seite 178): „Für mich war die Zusammenarbeit eine lohnende Investition. Sie werden aber verstehen, dass ich trotzdem hoffe, Ihre Dienste nicht zu oft in Anspruch nehmen zu müssen…“

01.03.2015