Trial & Horror… First time right bei der Job-Wahl

Richard Bolles beschreibt die Generation unserer Eltern. In seinem Buch The Three Boxes of Life besteht das Leben aus „lernen – arbeiten – spielen.” Die Ausbildung hält die ganze Karriere. Das Berufsleben ist intensiv – und kurz. Danach ist Zeit für alles andere. Bei der Nachkriegsgeneration oder den Babyboomers kamen Fragen nach Motivation, Sinngebung oder gar Work-Life-Balance kaum auf. Wer mit Ende 20 eine Top-Ausbildung abgeschlossen hatte, konnte den Vorruhestand mit Mitte/Ende 50 bereits sehen. Da galt es, „Gas zu geben“ und Karriere zu machen. Wer den falschen Beruf gewählt hatte, war weniger zufrieden – das Leben war aber dennoch erträglich. Ein stimmiges Betriebsklima, Gestaltungsspielraum und Anerkennung waren Ausgleich für eine Diskrepanz zwischen Persönlichkeit und Job. Auch der berufliche Alltag war entspannter. Die Abteilungssekretärin kümmerte sich um in- und externe Korrespondenz. Erst der Einzug des Faxes in den Büroalltag setzte der Ausrede, dass sich „wichtige Dokumente in der Post befanden“ ein Ende. Mit der E-Mail starb das Sekretariat aus. Und mit der Smartphone war der Stelleninhaber selber vom Aussterben bedroht – zumindest mental. Forschungsergebnisse zeigen eine Zunahme der Arbeitsintensität von 30% die vergangenen 15 Jahre und 50% in 20 Jahren. Eine Verdichtung auf Grund des technologischen Fortschritts und der Personalreduktion.

Wer noch vor einer Generation den falschen beruflichen Einstieg wählte, konnte überleben. Viele haben sich in Führungspositionen hinein gerettet – weg vom operativen Geschäft. Heute rächt sich die fehlende Auseinandersetzung mit der eigenen Person. The Three Boxes of Life existieren noch immer. Sie werden aber parallel gelebt. Life long learning ist keine amerikanische Erfindung, sondern auch eine Deutsche Anforderung. Der Vorruhestand wurde längst aufgegeben. Arbeiten bis 67? Und die Erholung muss parallel zur Arbeit erfolgen, als Kraftquelle, damit der Marathon bestanden wird. Nicht umsonst ist Work-Life in aller Munde – damit Burn-Out nicht zuschlägt. Diese Begriffe hatten vor 20 Jahren den gleichen Erkennungswert wie die Bestellung einer Ochsenschwanzsuppe auf Koreanisch. Aber heute ist alles anders. Arbeit findet derart komprimiert statt, dass nur derjenige das Finish erreicht, der Flow im Alltag erlebt.

Sabine hat Supply Chain Management in Dortmund studiert: Den Traum ihres Vaters! Sie arbeitet drei Jahre bei einer Spedition. Und stellt fest, dass sie Kennzahlen hasst. Sie will „etwas mit Menschen machen.“ Dorothea war bereits vor der Wende Kita-Leiterin. In Dortmund und Frankfurt hat sie dann die Verantwortung für 10 Gruppen übernommen. Nix mit Kindern. Sondern Krisen-Management, Organisations-Entwicklung, Change-Prozesse. Sie hat eine Ausbildung als Coach angefangen. Und wechselte als Mediator an eine Universität in Mitte-Deutschland in eine eigens für sie geschaffene Stelle. Sabine sucht nach dem Absprung. Dorothea hat es geschafft. Beide wussten um die Notwendigkeit der Veränderung.

Der gängige Weg: Nach dem Studium die ausgeschriebenen Stellen anschauen und eine Bewerbung auf gut Glück! So landet der Maschinebau-Ingenieur im Vertrieb, Produkt-Management oder auch in der Entwicklung. Nur um festzustellen, dass er in der heutigen Arbeitsverdichtung nicht dauerhaft einer Tätigkeit nachgehen kann, die nicht passt.

Welche Tools gibt es? Wie können kostbare Jahre im Kernbereich verbracht und Enttäuschungen vermieden werden? Die Konsequenzen einer Fehlentscheidung schlagen sich in hard facts und weiche Faktoren nieder. Ein erklärungsbedürftiger Lebenslauf führt zu finanziellen Einbüßen im Vergleich zu Kommilitonen, die the fast track gewählt haben. Schlimmer: das Gefühl, versagt zu haben, hemmt die Karriere häufig dauerhaft.

Es macht Sinn, einmal zu verstehen, ob eine Affinität mit Menschen, Informationen oder Gegenständen vorhanden ist. Der Ingenieur geht dann in den Verkauf, die Kalkulation oder auch die Materialprüfung. Zweitens ist es hilfreich, die eigenen Verhaltenstendenzen zu verstehen. Bin ich dominant, ergebnisorientiert, schnell und scheue nicht den Wettbewerb? Oder beschreibe ich mich als initiativ, ich will Spaß, Menschen um mich herum und Kommunikation? Vielleicht bin ich eher stetig, ich arbeite im Team, vermeide Konflikte und liebe die Zuverlässigkeit? Oder bin ich gewissenhaft, mag Zahlen, Daten, Fakten, Strukturen und die Perfektion in der Arbeit? Dann helfen noch Gedanken über Werte und Kultur. Blühe ich auf in einem Unternehmen, das sich den Kundenwünschen verschrieben hat? Oder fühle ich mich wohl in einem straff, von Finanzkennzahlen geführten Konzern?

Wer die eigenen Persönlichkeitsmerkmale mit den Kompetenzen verbindet und sich vielleicht noch im Vorfeld die Frage nach Reise- und Umzugsbereitschaft stellt, ist gut unterwegs. Präferenzen für den Mittelstand, den Konzern, das Gesundheitswesen, den Job beim Staat oder einen kreativen Beruf? Dazu noch die Branche und die Entscheidung für das richtige Produkt oder die Dienstleistung. Derjenige wird sich nicht auf den erstbesten Job bewerben, sondern gezielt den Einstieg planen. Der schnellere Start von anderen ist bedeutungslos. Es zählen die Beständigkeit und der langfristige Erfolg!

16.05.2015