Wer die FAZ als Morgenlektüre zu sich genommen hat, konnte neben Besorgniserregendem auch Erheiterndes entdecken. Das Graffiti-Bild auf S. 16 verbreitete schon mal gute Laune.
Darüber hinaus erfuhr der interessierte Leser, dass sich in Bergneustadt eine 54-jährige Dame auf das Kassenband gesetzt hat. Sie wollte partout nicht aufstehen aus Protest, dass sie lediglich eine Packung Toilettenpapier kaufen durfte. Alles Gute Zureden half nichts. Schließlich ließ sie sich auf den Boden fallen, schrie und wurde von der Polizei in Handschellen abgeführt.
Auf S. 19 wurde es dann ernst, wobei die Komik im Detail lag. Unter der Überschrift „Sportmediziner waren vor dem Homeoffice“ war folgender Zusatz zu entnehmen: „Bewegungsmangel wird zu Todesfällen führen“.
Derart ermutigt, bin ich – wie jeden Tag – auf mein Fahrrad gestiegen und habe eine Stunde auf dem Deich neben dem Rhein geradelt. Sonne und Frischluft zum Nulltarif. Da ging mir die Mahnung nochmals durch den Kopf. Wer sich außerhalb der eigenen vier Wände bewegt, stellt sich der Gefahr der Infizierung. Wer zu Hause bleibt, kann dem Bewegungsmangel erliegen. Pest oder Cholera.
Doch so neu ist diese Erkenntnis nicht. Denn letztlich wird die Sterblichkeit angesprochen. So oder so werde ich mit größter Wahrscheinlichkeit eines Tages aufstehen und den Abend nicht erleben. Bisher war es mir aber möglich, mich mit einem „Carpe Diem“ von dieser Tatsache abzuwenden. Heute kann ich aber nicht zu meinem bevorzugten Italiener gehen, das Kino hat geschlossen, genauso wie das Schwimmbad und sogar die Haare kann ich mir nicht schneiden lassen.
So führt „den Tag pflücken“ unweigerlich zu einem Nachsinnen über den Sinn des Daseins. Da waren sich die alten Mönche schon einig. Memento Mori: „Denke darüber nach, dass wir sterblich sind“. Die ehemaligen Gegensätze sind durch den Corona-Katalysator erstmalig vereint.
Die Erkenntnis der Sterblichkeit kann locker weggesteckt werden von dem der sich dessen bewusst ist. Luther meinte bekanntlich, dass er heute noch einen Apfelbaum pflanzen würde, wenn morgen die Welt untergeht.
Andere, wie John Strelecky haben auf Grund der Tatsache, dass das Leben endlich ist, eine Vollbremsung hingelegt. Er hat seinen Vertriebsjob in recht jungen Jahren aufgegeben. Daraufhin hat er Weltbestseller wie „Big five for Life“ geschrieben und eine Erfüllung darin gefunden, andere mit Sinn gebenden Themen zu inspirieren.
Wir können zur Krise stehen wie wir wollen. Sie führt aber zu Ent-Decken, Nach-Denken und Ent-Täuschen. Was zugedeckt war, wird sichtbar. Wir denken nochmals über unsere Lebensgestaltung nach. Wo wir uns selbst getäuscht haben, findet eine Korrektur statt.