Von Januar bis März haben deutsche Unternehmen mehr neue Stellen geschaffen als im gesamten Jahr 2014 – FAZ 04.04.2015 Titelseite

Mit seiner Grundsatzrede zur Eröffnung der Ausstellung „Dialog mit der Zeit“ über die Kunst des Alterns im Berliner Museum für Kommunikation am 1. April sprach Gauck über die Arbeitszeit.

„Die neue Wirklichkeit ist in unserer Vorstellungswelt und teilweise auch in unserem gesetzlichen Regelwerk noch nicht richtig angekommen“, konstatiert der Bundespräsident.

Tatsächlich folgt die Vorstellung vom Lebenslauf immer noch dem althergebrachten, traditionellen Muster: Danach ist das Leben dreigeteilt. Die Zeit der Ausbildung fällt in die Jugend, die Berufstätigkeit prägt das Leben der Erwachsenen, und im Alter wird der Ruhestand genossen

Richard Bolles, der Job-Hunting Papst spricht in seinem Buch „Three Boxes of Life“ dieses Muster an.

In der Zwischenzeit hat sich viel bewegt. Die Ausbildung hat sich in einen nicht aufhörenden Prozess gewandelt: lebenslanges Lernen. Die Arbeitszeit erstreckt sich mittlerweile bis 67 Jahre oder möglicherweise „so lange wir möchten oder müssen.“ Dieses Modell wird ernsthaft diskutiert.

Da wundert es nicht, dass die Erholung in die beiden anderen Zyklen, Lernen und Arbeiten, integriert wird. Wer während seiner aktiven Arbeitsphase keine Zeit für Entspannung, Auftanken, Sabbaticals oder sonstige längere Ruhezeiten findet, wird wohl kaum nach dieser Zeit dazu kommen.

Intuitiv hat die Generation Y dieses empfunden. Immerhin die Generation, die heute häufig an den Schalthebeln der Wirtschaft sitzt. Sie betrachtet Arbeit weniger verbindlich, wechselt häufiger, kennt eine niedrigere Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber, was nicht bedeutet, dass Aufgaben nicht verantwortlich und gewissenhaft ausgefüllt werden.

Die ältere Generation X sowie die Babyboomers trauen diesem Muster noch nicht. Sie werden tendenziell von Angst beherrscht. Zu intensiv haben sie um einen Job kämpfen müssen.

Gleichwohl ändert sich auch hier etwas. Es geht der deutschen Wirtschaft zu gut. In der Anlage heißt es: „Allerdings spiegele die große Zahl der offenen Stellen nicht nur die gute konjunkturelle Lage wieder, räumt die BA ein. Sie sei auch eine Folge des derzeit häufigeren Stellenwechsels. Dadurch würden viele Stellen frei, von denen manche nicht sofort wieder besetzt werden könnten.“

Der „häufigere Stellenwechsel“ bedeutet im Klartext: Auch die Älteren fassen Mut und sind eher bereit mit der Lebensqualität zu experimentieren statt starr die gesamte Arbeitszeit bei einem Arbeitgeber zu verbringen – passend oder nicht!

Die Arbeitsmarktstudie Kelly Global Workforce Index sagt:

„Nearly half(47%) of workers say they actively look for better job opportunities or evaluate the external job market even when they are happy in a job.”

Das ist neu! Schwierige Zeiten für Arbeitgeber, die sich einem Paradigmenwechsel gegenübersehen – auf den sie noch sehr schlecht vorbereitet sind. Es ist schwer, neue Arbeitnehmer zu finden. Dazu wird es zunehmend herausfordernd, gut Mitarbeiter zu halten. Da ist Kreativität gefragt. Und eine Überarbeitung der Einstellungsprozesse. Ein Unternehmen kann es sich nicht länger leisten, diesen Prozess dem Zufall zu überlassen. Geschulte Mitarbeiter müssen die Vorteile der Organisation in den Vordergrund stellen. Und für das Unternehmen werben!

In der Zwischenzeit spüren Bewerber eine neue Leichtigkeit. Das ist gut und gesund. Eine Begegnung und eine Verhandlung auf Augenhöhe.

Und im Hintergrund spielt sich langsam der Wandel ab. Nicht länger stellt sich die Frage: Wie finde ich einen Job? Sondern: Welche Tätigkeit passt zu mir – und wie finde ich genau diese Position?